Wednesday, October 31, 2007

Saturday, October 27, 2007

Betriebsausflug nach Kleinbloggersdorf

Liveblog zum Seminar



26.10.07 - 28.10.07, Theodor-Heuss-Akademie in Gummersbach


Fast die gesamte liberale Blogger-Community ist hier versammelt. Nur Dirk Friedrich, Martin Hagen und Matt Jenny werden schmerzlich vermißt!

Friday, October 19, 2007

Mit Kreon gegen Antigone

In Erich Eycks dreibändigem Klassiker "Bismarck. Leben und Werk" (Zürich, 1944) wird auch auf die stringent liberale Haltung Eugen Richters zum "Kulturkampf" hingewiesen und wie sehr der große Linksliberale Richter sich schon damals mit seiner prinzipienfesten Einstellung in scharfen Gegensatz zur Mehrheit des parteipolitisch organisierten Liberalismus brachte. Auf Seite 91 von Band 3 heißt es:

„Die Fortschrittspartei war gespalten; von der von Virchow geführten Mehrheit sonderte sich öfters eine Minderheit ab, die wie Eugen Richter die Sorge für die Aufrechterhaltung des gleichen Rechts dem Kampf gegen den Klerikalismus überordnete.“

Auf Seite 93 resümiert er nüchtern:

„So hat der Kulturkampf, der ihm zunächst einen so stolzen parteipolitischen Aufschwung brachte, letzten Endes zur inneren Entkräftung und Verarmung des Liberalismus geführt. Das war um so verhängnisvoller, als er gleichzeitig durch die geschichtliche Entwicklung gezwungen wurde, in immer stärkerem Maße mit dem Militärstaat zu paktieren und darüber konstitutionelle Prinzipien zu opfern. Das Ironische ist, daß die Nationalliberalen, an denen sich dieser Prozeß vollzog, sich noch ihrer Befreiung vom „Doktrinarismus“ rühmten. In Wahrheit verschleierten sie sich dadurch nur die Einsicht in ihr eigenes Verhängnis.“


Ein Verhängnis freilich, das wohl in der DNA liberaler Parteien steckt, die im Laufe der Zeit immer mehr Partei und immer weniger liberal zu werden sich genötigt sehen.

So nimmt Eyck bereits die kommende Entwicklung vorweg, wenn er auf S. 133 ff. die Lage der Liberalen, die ihre Seele der Macht verkauft haben, analysiert:

„Und doch hatten die Liberalen, die mit ihm [Bismarck] in den Kulturkampf hineingegangen waren und sich von seinem Ungestüm weiter hatten fortreißen lassen, als viele ursprünglich gewollt hatten, wesentlich Schlimmeres zu beklagen als eine politische Niederlage: den Verlust ihres guten Gewissens und ihres unbescholtenen politischen Namens. Zu wie vielen Maßnahmen hatten sie sich hergegeben, die im tiefsten Grunde illiberal waren, die gegen die Grundgedanken der Rechtsgleichheit und Gewissensfreiheit verstießen und nach jener Lehre von der staatlichen Omnipotenz schmeckten, die das Gegenteil des echten Liberalismus ist. Was einem einzelnen Staatsmann vielleicht gelingt, ist einer Partei unmöglich. Prinzipien-Verrat muß sich bitter rächen. Denn wenn sie mehr sein will, als eine Interessen- oder Klassenpartei, lebt sie von der Überzeugung ihrer Anhänger, daß es ihr mit ihrem Programm und Bekenntnis ernst ist. Lujo Brentano, der Katholik und gleichzeitig ein aufrichtiger Liberaler war und gerade deshalb die kulturkämpferische Verblendung des Liberalismus aufs schärfste verdammte, erzählt voller Entrüstung, wie dem Freiherrn von Mallinckrodt, der sich auf Antigones unsterbliche Worte berief, ein Liberaler entgegnete: „Dafür hat Kreon sie auch ins Gefängnis gesetzt.“ In der Tat, ein Liberalismus, der es mit Kreon gegen Antigone hält, versündigt sich an seinem eigenen Lebensprinzip und gräbt sich selbst das Grab.“

Friday, October 12, 2007

TV-Event für Anti-Staazis

Ich bekenne freimütig: ich bin ein eingefleischter Fan der überaus erfolgreichen amerikanischen Kult-Serie Prison Break, die immer donnerstags um 23.10 auf RTL läuft. Und damit stehe ich in der liberalen Bloggosphäre nicht allein. In der Serie versucht Michael Scofield (Wentworth Miller) seinen Bruder Lincoln Burrows (Dominic Purcell), der als Opfer einer Regierungsverschwörung wegen des Mordes am Bruder der Vizepräsidentin zum Tode verurteilt wird, aus dem Knast zu befreien. Diese Handlung ist immer rasant und aufregend, zugleich sehr emotional berührend, spannungsgeladen von der ersten bis zur letzten Minute, die Besetzung erstklassig, der Plot genial. Und dazu herzhaft staatsfeindlich. Mit schonungsloser Offenheit wird dem Zuschauer vor Augen geführt, zu was der Staat und seine Büttel alles fähig sind, wenn das System es einmal auf einen abgesehen hat. Und auch wenn linksetatistische Antiamerikaner jetzt mit Däubler-Gmelin meinten, dies betreffe einzig das "lausige Rechtssystem" von jenseits des Atlantiks. Sie irren! Das geht uns alle an! Auch Europas "Rechtsstaaten" funktionieren nach demselben Grundmuster: Beim Spiel Staat gegen Bürger gewinnt immer der Staat. Egal, wer im Recht ist. Einen weiteren Grund, warum gerade Libertäre von dieser für FOX (!) produzierten Serie so begeistert sind, nennt Justine Nicholas:

"But there is another reason why viewers like me pull for Scofield and Burrows, however improbable their stories seem. Their characters are, in many ways, much more sympathetic than those of the warden, guards and other government representatives. The state employees come off as smug or stupid, or both, while Scofield is portrayed as intelligent, educated and bonded to his brother, who may be an unwilling dupe. And, Scofield and Burrows, as well as some of the other inmates are simply better looking than those who keep them in captivity."

Hier die Prison Break Anthem "Ich hol' Dich da raus" von Azad feat. Adel Tawil:


Aus dem Archiv: Ralph Raico über die Geschichte des Liberalismus

Nachdem Herr Lichtschlag schon seit längerem meint, er müsse sein Magazin auf "JF light" trimmen, die wie immer verhuscht-leisetreterischen Hayekianer nicht nur einen übertrieben elitären Habitus pflegen und zudem ihre Schriften immer so unerschwinglich machen, als enthielten sie Geheimwissen, auf daß sie möglichst keine junge und breite Leserschaft erreichen mögen, die Jungs von Liberty.li sich auch nicht mehr der Pflege des Liberalismus widmen wollen und nur durch meine Intervention Blankertz' Libertäres Manifest (ein ganz wichtiger Grundlagentext! Die von Rothbard sind ja außerdem weitgehend vergriffen, aber auch das juckt niemanden, dafür befassen wir uns ja in Liberalistan mit Eva Herman und Ellen Kositza!) von den Freiheitsfabrikanten wieder online gestellt wurde, und zu allem Unglück das Antibuerokratieteam mit den ausgewiesenen "chicken hawks" Statler & Waldorf fusioniert hat und dadurch das linksetatistische Feindbild (Neocons = Neoliberale = Bonzenschweine) zu bestätigen sich alle Mühe gibt, scheint es so, als ob mein Blog und kongenial Paxx.tv die letzten Mohikaner sind, die sich einen radikalen, ja revolutionären Liberalismus zu verbreiten und weiterzuentwickeln, ja, überhaupt erst wiederzuentdecken, zur Aufgabe gemacht haben. Alle anderen wenden sich ihren Hobbys zu, den Kampf um die Freiheit hat man in der "Szene" weitgehend aufgegeben. Die einen (rechtsreaktionäre Kulturkämpfer, siehe neueste Entgleisungen auf ef-online) wollen um jeden Preis anecken, die anderen (gradualismusbesoffene technokratiehörige Reform-Etatisten) um jeden Preis zum Establishment dazugehören. Auf Grundsätze ist hier wie da geschissen. Die kulturkonservative Attitüde ist beiden Varianten der Fahnenflucht vor dem Kampf gegen die antiliberalen Fortschrittsfeinde gemeinsam. Will mich aber zwischen zwei Chauvi-Varianten, ob ich lieber was gegen "Neger" (die ich diskriminieren muß) oder gegen "Musels" (die ich bombardieren muß) habe, nicht entscheiden müssen. Sorry, Leute! Mich könnt's Ihr alle mal kreuzweise! Mir reicht's nämlich!

Auf diesem Blog werden auch in Zukunft freiheitliche Texte veröffentlicht. Heute: Ein Aufsatz von Prof. Dr. Ralph Raico über den klassischen Liberalismus.


Die Geschichte des Liberalismus*

Von Ralph Raico

Klassischer Liberalismus - oder einfach Liberalismus, wie er bis etwa zur Jahrhundertwende genannt wurde - ist die kennzeichnende politische Philosophie der westlichen Zivilisation. Hinweise auf die liberale Idee werden auch in anderen bedeutenden Kulturen gefunden. Aber es war die besondere Gesellschaft, die sich in Europa - und seinen Außenposten, vor allem Amerika - entwickelte, welche als Nährboden des Liberalismus diente. Umgekehrt wurde diese Gesellschaft entscheidend durch die liberale Bewegung geprägt.

Dezentralisierung und Gewaltentrennung sind die Kennzeichen der europäischen Geschichte. Nach dem Fall Roms gelang es keinem Imperium mehr, den Kontinent zu beherrschen. Statt dessen wurde Europa zu einem komplexen Mosaik miteinander wetteifernder Nationen, Fürstentümer und Stadtstaaten. Die verschiedenen Herrscher fanden sich im Wettbewerb miteinander wieder. Wenn einer von ihnen wagte, räuberisch hohe Steuern zu verlangen oder Eigentum willkürlich zu konfiszieren, so musste er damit rechnen, seine produktivsten Bürger zu verlieren, welche zusammen mit ihrem Kapital "austreten" konnten. Die Könige fanden auch mächtige Rivalen in ehrgeizigen Baronen und in, von einer internationalen Kirche gestützten, religiösen Autoritäten. Es entstanden Parlamente, welche die Steuergewalt des König begrenzten, sowie freie Städte mit speziellen Privilegien, welche die Leitung der Händlerelite überließen.

Im Mittelalter hatten viele Teile Europas, vor allem im Westen, eine Kultur entwickelt, die Besitzrechten und Handel freundlich gesinnt war. Auf philosophischer Ebene lehrte die Doktrin des Naturrechts - die von den stoischen Philosophen des alten Griechenland und Roms abgeleitet war -, dass das Naturrecht unabhängig von den Entwürfen der Menschen existierte und dass die Herrscher den ewigen Gesetzen der Gerechtigkeit unterworfen waren. Die Doktrin des Naturrechts wurde von der Kirche hoch gehalten und an den großen Universitäten verkündet, von Oxford und Salamanca bis nach Prag und Krakau.

Am Anfang der Moderne begannen die Herrscher, sich der uralten, traditionellen Einschränkungen ihrer Macht zu entledigen. Königlicher Absolutismus wurde zur wesentlichen Tendenz dieser Zeit. Die Könige Europas behaupteten nun, dass Gott sie auserwählt habe, um die Quelle allen gesellschaftlichen Lebens und aller Aktivitäten zu sein. In Folge dessen versuchten sie, die Religion, Kultur, Politik und vor allem das wirtschaftliche Leben der Menschen zu steuern. Um ihre blühende Bürokratien und die ständigen Kriege zu finanzieren, wurden immer höhere Steuersätze nötig, und sie versuchten, diese auf bisher ungekannte Wege aus ihren Untertanen herauszupressen.

Das erste Volk, das sich gegen dieses System erhob, waren die Niederländer. Nach einem jahrzehntelangen Kampf errangen sie ihre Unabhängigkeit von Spanien und gründeten ein einzigartiges politisches Gemeinwesen. Die Vereinigten Provinzen, wie der radikal dezentralisierte Staat genannt wurde, hatten weder König noch allzu viel Macht auf Bundesebene. Geld verdienen war die Leidenschaft dieser geschäftigen Handwerker und Händler: Sie hatten keine Zeit, Ketzer zu jagen oder neue Ideen zu unterdrücken. Dadurch kam es de facto zu religiöser Toleranz und einer weit reichenden Pressefreiheit. Die Niederländer schufen ein Rechtssystem, welches auf der Herrschaft des Rechts sowie der Heiligkeit von Besitz und Verträgen basierte. Die Steuern waren niedrig, und jeder arbeitete. Das niederländische "Wirtschaftswunder" war das Wunder des damaligen Zeitalters. Aufmerksame Beobachter in ganz Europa nahmen den niederländischen Erfolg mit großem Interesse zur Kenntnis.

Eine Gesellschaft, die in vielerlei Hinsicht der Hollands ähnlich war, hatte sich jenseits der Nordsee entwickelt. Im 17. Jahrhundert war auch England durch das Haus der Stuarts vom Absolutismus bedroht. Die Reaktion darauf war Revolution, Bürgerkrieg, ein König wurde geköpft, ein weiterer aus dem Amt gejagt. Im Laufe dieses tumulthaften Jahrhunderts erschienen die ersten Bewegungen und Denker, die eindeutig als liberal bezeichnet werden können.

Nachdem der König gegangen war, entstand eine neue radikale Gruppe aus der Mittelschicht, die Leveller. Sie vertraten die Meinung, dass nicht einmal das Parlament das Recht besäße, die natürlichen, von Gott gegebenen Rechte der Menschen widerrechtlich an sich zu reißen. Religion, behaupteten sie, sei eine Sache individuellen Gewissens: Sie sollte in keiner Beziehung zum Staat stehen. Vom Staat garantierte Monopole seien gleichermaßen eine Verletzung natürlicher Freiheit. Eine Generation später entwickelte John Locke, basierend auf der Tradition des Naturrechts, welches von den Theologen der Scholastik am Leben erhalten und weiter ausgefeilt worden war, ein mächtiges liberales Modell des Menschen, der Gesellschaft und des Staates. Jeder Mensch, meinte er, sei von Geburt an mit bestimmten natürlichen Rechten ausgestattet. Dazu gehört sein Grundrecht auf "property" (Eigentum) - das bedeutet: sein Leben, Freiheit und materielle Güter. Die Aufgabe der Regierung sei es einfach, sein Recht auf Eigentum zu schützen. Sobald eine Regierung Krieg gegen die natürlichen Rechte der Menschen führt, anstatt sie zu beschützen, dürfen die Menschen die Regierung ändern oder abschaffen. Die Lockesche Philosophie war viele Generationen lang in England einflussreich. Zur rechten Zeit sollte sie ihre größten Wirkung schließlich in den englischsprachigen Kolonien in Nordamerika entfalten.

Die Gesellschaft, die in England nach dem Sieg über den Absolutismus entstand, erzielte erstaunliche Erfolge im wirtschaftlichen und im kulturellen Leben. Denker aus Kontinentaleuropa, vor allem aus Frankreich, begannen, sich dafür zu interessieren. Einige von ihnen, wie etwa Voltaire und Montesquieu, besuchten England, um sich selbst ein Bild zu machen. Genau so wie einst Holland als Modell gedient hatte, begann nun das Beispiel Englands ausländische Philosophen und Staatsmänner zu beeinflussen. Die Dezentralisierung, welche immer ein Kennzeichen Europas gewesen war, gestattete es dem englischen "Experiment", stattzufinden, und sein Erfolg spornte andere Nationen an.

Im 18. Jahrhundert entdeckten Denker eine bemerkenswerte Tatsache über das gesellschaftliche Leben: Unter der Voraussetzung, dass den Menschen ihre natürlichen Rechte garantiert sind, regiert sich die Gesellschaft mehr oder weniger selbst. In Schottland entwarfen einige brillante Autoren wie etwa David Hume und Adam Smith die Theorie einer spontanen Evolution gesellschaftlicher Einrichtungen. Sie zeigten, wie immens komplexe und lebenswichtige Institutionen - Sprache, Moral, das allgemeine Gesetz und vor allem der Markt - sich nicht nur als Produkt der Planung von "Sozial-Ingenieuren" entwickeln, sondern als Resultat der Interaktionen aller Mitglieder der Gesellschaft, welche ihre individuell unterschiedlichen Ziele verfolgen, entstehen.

In Frankreich kamen Ökonomen zu ähnlichen Schlüssen. Der größte von ihnen, Turgot, postulierte die logische Grundlage des freien Markts mit folgenden Worten: "Der richtige Weg ist es daher, dem Lauf der Natur zu folgen, ohne vorzugeben, ihn zu steuern. Um Handel und Kommerz zu steuern, wäre es notwendig, über solch detailliertes Wissen über all die verschiedenen Bedürfnisse, Interessen und menschlichen Tätigkeiten zu verfügen, dass es selbst für die fähigste, aktivste und detaillierteste Regierung schlichtweg unmöglich wäre, ein solches zu erwerben. Und selbst wenn eine Regierung über eine solche Vielfalt an detailliertem Wissen verfügte, würde sie zu dem Schluss kommen, die Dinge so laufen zu lassen, wie sie es von selbst tun, einzig durch die im freien Wettbewerb hervorgerufenen Handlungen von Menschen, die ihrem Interesse folgen."

Die französischen Ökonomen prägten einen Begriff für die Politik der Freiheit im wirtschaftlichen Leben: Sie nannten ihn laissez-faire. Inzwischen hatten seit dem 17. Jahrhundert Kolonisten, die vor allem aus England gekommen waren, an der Ostküste Nordamerikas eine neue Gesellschaft begründet. Unter dem Einfluss der Ideen, welche die Kolonisten mit sich gebracht hatten, und der Institutionen, welche sie entwickelt hatten, entstand ein einzigartiger Lebensstil. Es gab keinen Adel und kaum eine Regierung. Anstatt politische Macht anzustreben, arbeiteten die Kolonisten, um eine anständige Existenz für sich selbst und ihre Familien aufzubauen.

Äußerst unabhängig, widmeten sie sich auch dem friedlichen - und profitablen - Austausch von Gütern. Ein komplexes Handelsnetzwerk formte sich, und in der Mitte des 18. Jahrhunderts waren die Kolonisten bereits wohlhabender als alle anderen einfachen Bürger der Welt. Selbsthilfe war auch das Leitmotiv, was spirituelle Werte betraf. Kirchen, Colleges, Büchereien, Zeitungen, Vortragsinstitute und kulturelle Vereinigungen blühten dank der freiwilligen Zusammenarbeit der Bürger.

Als der Unabhängigkeitskrieg ausbrach, war die vorherrschende Ansicht über die Gesellschaft, dass sie sich im Prinzip selbst regierte. Mit den Worten Tom Paines: "Formelle Regierung macht höchstens einen kleinen Teil des zivilisierten Lebens aus. Diese großartigen und fundamentalen Prinzipien der Gesellschaft und der Zivilisation - der nie endende Kreislauf von Interessen, welcher durch seine Millionen Kanäle die gesamte Masse der zivilisierten Menschheit belebt - diese Dinge sind es unendlich mehr als jede Maßnahme, die auch die beste Regierung ergreifen kann, von denen die Sicherheit und das Wohlergehen sowohl des Individuums als auch der Gesamtheit abhängen. Die Gesellschaft leistet selbst beinahe alles, was der Regierung zugeschrieben wird. Die Regierung ist nur notwendig, um die wenigen Aufgaben zu übernehmen, zu welchen Gesellschaft und Zivilisation nicht unmittelbar kompetent genug sind."

Mit der Zeit würde diese neue Gesellschaft, welche auf der Philosophie natürlicher Rechte gegründet war, der Welt als ein noch leuchtenderes Beispiel für Liberalismus dienen, als es vor ihr Holland und England getan hatten.

Triumphe und Herausforderungen
Am Anfang des 19. Jahrhunderts war der klassische Liberalismus - oder kurz Liberalismus, wie die Philosophie der Freiheit damals genannt wurde - das Gespenst, welches Europa heimsuchte - und die Welt. In jedem entwickelten Land war die liberale Bewegung aktiv.

Vorwiegend aus der Mittelschicht stammend, umfasste sie Menschen verschiedener Religionen und philosophischer Hintergründe. Christen, Juden, Deisten, Agnostiker, Anhänger des Utilitarismus oder des Naturrechts, Freidenker und Traditionalisten, sie alle hielten es für möglich, für ein fundamentales Ziel zu arbeiten: den Freiraum der Gesellschaft zu erweitern und den Raum von Zwang und Staat zu verkleinern.

Die Schwerpunkte variierten in den verschiedenen Ländern. In einigen, etwa den mittel- und osteuropäischen Ländern, forderten die Liberalen den Rückzug des absolutistischen Staates und sogar der Überbleibsel des Feudalismus. Dieser Zielsetzung gemäß konzentrierte sich der Kampf auf das Recht auf Privateigentum an Land, Religionsfreiheit und die Abschaffung der Leibeigenschaft. In Westeuropa hatten die Liberalen oft für Freihandel, Pressefreiheit und die Herrschaft des Rechts als Souverän über die Funktionäre des Staates zu kämpfen.

In Amerika, dem Musterbeispiel eines liberalen Landes, bestand das wichtigste Ziel darin, das Eindringen der Regierungsgewalt abzuwehren, wie es durch Alexander Hamilton und seine auf Zentralisierung bedachten Nachfolgern vorangetrieben wurde, und schließlich etwas gegen den größten Schandfleck zu unternehmen - die Sklaverei.

Vom Standpunkt des Liberalismus hatten die Vereinigten Staaten von Beginn an bemerkenswert viel Glück. Ihr Gründungsdokument, die Unabhängigkeitserklärung, war von Thomas Jefferson geschrieben worden, einem der führenden liberalen Denker seiner Zeit. Diese Deklaration versprühte die Vision einer Gesellschaft, die aus Individuen bestand, welche über ihre natürlichen Rechte verfügten und ihre selbstgewählten Ziele verfolgten. In der Verfassung und der Bill of Rights schufen die Gründer ein System, in welchem die Macht durch verschiedene Einschränkungen geteilt, begrenzt und eingeschlossen sein würde, während sich die Individuen durch Arbeit, Familie, Freunde, Weiterbildung und ein dichtes Netzwerk freiwilliger Verbindungen auf ihre Suche nach Erfüllung begeben würden. Wie europäische Reisende mit Ehrfurcht bemerkten, konnte man sagen, dass in diesem neuen Land so etwas wie Regierung kaum existent war. Dies war das Amerika, welches ein Modell für die Welt wurde.

Einer, der Jeffersons Tradition im frühen 19. Jahrhundert fortsetzte, war William Leggett, ein in New York ansässiger Journalist und Parteigänger Andrew Jacksons, der gegen die Sklaverei entrat. Leggett erklärte:

"Alle Regierungen sind zum Schutz von Person und Eigentum eingesetzt; die Menschen delegieren an ihre Herrscher nur jene Befugnisse, welche hierfür unbedingt notwendig sind. Das Volk will nicht, dass die Regierung ihre Privatsachen reguliert oder ihnen vorschreibt, wie ihre Unternehmungen abzulaufen haben und wie viel Profit dabei herauskommen soll. Schützt Personen und ihr Eigentum, und der Rest ist ihre eigene Angelegenheit."

Diese Laissez-faire-Philosophie wurde die felsenfeste Überzeugung unzähliger Amerikaner aller Schichten. In den nachfolgenden Generationen fand sie ein Echo in den Werken liberaler Autoren wie R. L. Godkin, Albert Jay Nock, H. L. Mencken, Frank Chodorov und Leonard Read. Für den Rest der Welt war dies die besondere, charakteristische amerikanische Perspektive.

Mittlerweile machte der wirtschaftliche Fortschritt, der in der westlichen Welt langsam ins Rollen gekommen war, einen großen Sprung vorwärts. Zuerst in Großbritannien, dann in Amerika und Westeuropa veränderte die Industrielle Revolution das Leben der Menschen wie kein anderes Ereignis seit der Jungsteinzeit. Nun war es der großen Mehrheit der Menschheit möglich, dem undenklichen Elend zu entgehen, welches sie im Laufe der Zeit als ihr unabänderliches Schicksal akzeptieren gelernt hatten. Jetzt war es vielen Millionen, die in der ineffizienten Wirtschaft der alten Ordnung zu Grunde gegangen wären, möglich zu überleben. Während die Bevölkerung Europas und Amerikas auf bisher unerreichtes Niveau anwuchs, erreichten die neuen Massen Schritt für Schritt einen Lebensstandard, wie er früher für Angehörige der Arbeiterklasse unvorstellbar gewesen war.

Die Geburtsstunde der industriellen Ordnung wurde von wirtschaftlichen Verschiebungen begleitet. Wie hätte es sonst sein sollen? Die Ökonomen, die dem freien Markt anhingen, predigten die Lösung: Sicherung von Eigentum und Hartgeld, um die Formierung von Kapital zu begünstigen, Freihandel, um die Effizienz der Produktion zu maximieren, und ein klares Feld für Unternehmer, die bereit waren, Innovationen zu erbringen. Aber Konservative, welche sich in ihrem uralten Status bedroht fühlten, initiierten einen Angriff auf das neue System und verursachten damit den schlechten Ruf der Industriellen Revolution, welchen sie niemals überwand. Bald wurde der Angriff hämisch von Gruppen sozialistischer Intellektueller aufgenommen.

Dennoch eilten die Liberalen in der Mitte des Jahrhunderts von Sieg zu Sieg. Verfassungen, welche Grundrechte garantierten, wurden angenommen, Rechtssysteme, welche die Herrschaft des Rechts und Eigentumsrechte fest verankerten, wurden eingeführt, und der Freihandel blühte. Es entstand eine Weltwirtschaft auf der Basis des Goldstandards.

Es gab auch auf der intellektuellen Front Fortschritte. Nachdem er die Kampagne zur Abschaffung der englischen Getreidegesetze angeführt hatten, entwickelte Richard Cobden die Theorie der Nichteinmischung in die Angelegenheiten anderer Länder als Fundament des Friedens. Frédéric Bastiat brachte die Situation von Freihandel, Nichtintervention und Frieden in eine klassische Form. Liberale Historiker wie Thomas Macaulay und Augustin Thierry zeigten die Wurzeln der Freiheit im Westen auf. Später im Laufe des Jahrhunderts wurde mit der von Carl Menger begründeten Österreichischen Schule der Nationalökonomie die ökonomische Theorie des freien Marktes auf ein sicheres wissenschaftliches Fundament gestellt.

Die Beziehung des Liberalismus zur Religion stellte ein besonderes Problem dar. In Kontinentaleuropa und Lateinamerika benutzten frei denkende Liberale manchmal die Macht des Staates, um den Einfluss der katholischen Kirche zu beschneiden, während einige katholische Führer überkommenen Ideen theokratischer Kontrolle nachhingen. Aber liberale Denker wie Benjamin Constant, Alexis de Tocqueville und Lord Acton dachten über solche sinnlosen Dispute hinaus. Sie betonten die eminente Rolle, welche die Religion, von Regierungsgewalt getrennt, beim Eindämmen des Wachstums des zentralisierten Staates spielen könnte. Auf diese Weise legten sie den Grundstein für die Versöhnung von Freiheit und religiösem Glauben.

Aus noch unbekannten Gründen wandte sich das Blatt dann gegen die Liberalen. Zum Teil liegt dies sicher an der neuen Klasse von Intellektuellen, die sich überall ausbreitete. Dass sie ihre eigene Existenz dem Wohlstand verdankten, der erst durch das kapitalistische System möglich geworden war, hielt die meisten von ihnen nicht davon ab, unaufhörlich am Kapitalismus zu nagen und ihn für jedes Problem verantwortlich zu machen, welches sie in der modernen Gesellschaft ausfindig machen konnten.

Gleichzeitig wurde freiwilligen Lösungen für diese Probleme durch Staatsfunktionäre zuvorgekommen, welche ihren Einfluss vergrößern wollten. Das Erstarken der Demokratie mag ebenfalls zur Abnahme des Liberalismus beigetragen haben, weil sie ein uraltes Merkmal der Politik noch verstärkte: den Wettlauf um besondere Privilegien. Unternehmen, Gewerkschaften, Bauern, Bürokraten und andere Interessensgruppen wetteiferten um staatliche Privilegien - und fanden intellektuelle Demagogen, die ihre Plünderungen ideologisch begründeten. Die staatliche Kontrolle nahm zu, auf Kosten des "vergessenen Mannes", wie William Graham Sumner bemerkte - des stillen, produktiven Individuums, der von der Regierung nichts verlangt und durch seine Arbeit das System am Leben erhält.

Am Ende des Jahrhunderts wurde der Liberalismus von allen Seiten attackiert. Nationalisten und Imperialisten verdammten ihn, weil er zu einem langweiligen Frieden zwischen den Nationen anstelle von männlicher und belebender Kriegslust führte. Sozialisten griffen ihn an, weil er das "anarchische" System des freien Marktes anstelle "wissenschaftlicher" zentraler Planung propagierte. Sogar religiöse Führer brachten den Liberalismus wegen seines angeblichen Egoismus und Materialismus in Verruf. In Amerika und Großbritannien entwickelten Sozialreformer am Ende des Jahrhunderts einen besonders schlauen Schachzug. Anderswo wären diese Befürworter staatlicher Interventionen und Zwangsmitgliedschaft in Gewerkschaften "Sozialisten" oder "Sozialdemokraten" genannt worden. Aber da die anglophonen Völker aus irgend einem Grund eine Aversion gegen diese Begriffe zu haben schienen, rissen sie sich die Bezeichnung "liberal" unter den Nagel.

Obgleich sie bis zum Ende kämpften, herrschte bei den letzten der großen authentischen Liberalen eine Stimmung der Niedergeschlagenheit vor. Als Herbert Spencer in den 40er Jahren des 19. Jahrhunderts zu schreiben begann, erwartete er ein Zeitalter universellen Fortschritts, in welchem der Zwangs-Staatsapparat praktisch verschwinden würde. 1884 verfasste Spencer schließlich einen Aufsatz mit dem Titel "The Coming Slavery" ("Die kommende Sklaverei"). 1898 war William Graham Sumner, ein amerikanischer Anhänger Spencers, Freihändler und Befürworter des Gold-Standards, bestürzt, dass Amerika mit dem Spanisch-Amerikanischen Krieg den Weg des Imperialismus und der globalen Verstrickung einschlug. Erbittert, betitelte er seine Antwort auf diesen Krieg "The Conquest of the United States by Spain" ("Die Eroberung der Vereinigten Staaten durch Spanien").

Überall in Europa kehrte man zur Politik des Absolutismus zurück und die staatlichen Bürokratien wuchsen. Zur selben Zeit führten eifersüchtige Rivalitäten unter den Großmächten zu einem rasenden Wettrüsten, und die Kriegsgefahr nahm immer deutlichere Züge an. 1914 entzündete sich der Funke an einem serbischen Attentäter, die aufgeheizten Animositäten und Verdächtigungen explodierten, und es kam zum bis zu diesem Zeitpunkt zerstörerischsten Krieg der Geschichte. 1917 führte ein amerikanischer Präsident, der gerne eine Neue Weltordnung errichten wollte, sein Land in den mörderischen Konflikt. "Krieg ist die Gesundheit des Staates", warnte der radikale Autor Randolph Bourne. Es zeigte sich, dass er recht hatte. Zum Zeitpunkt, als das Schlachten ein Ende hatte, glaubten viele, dass der Liberalismus im klassischen Sinne ausgedient hätte.

Das 20. Jahrhundert
Der Erste Weltkrieg war der Wendepunkt des zwanzigsten Jahrhunderts. Als Produkt anti-liberaler Ideen und anti-liberaler Politik, wie Militarismus und Protektionismus, förderte der Krieg Etatismus in jeder Form. In Europa und Amerika beschleunigte sich der Trend zu staatlicher Intervention, indem die Regierungen zum Militär einzogen, zensierten, Schuldenberge anhäuften, Unternehmen und Arbeiterschaft vereinnahmten und die Kontrolle über die Wirtschaft übernahmen. Überall sahen "progressive" Intellektuelle ihre Träume wahr werden. Der alte Laissez-faire-Liberalismus erklärten sie hämisch für tot; die Zukunft gehörte dem Kollektivismus. Die einzige Frage schien zu sein: Welche Art von Kollektivismus?

In Russland ermöglichten die Kriegswirren einer kleinen Gruppe von marxistischen Revolutionären, die Macht zu ergreifen und ein Hauptquartier für die Weltrevolution aufzubauen. Im 19. Jahrhundert heckte Karl Marx eine sekuläre Religion mit starker Anziehungskraft aus. Sie versprach die endgültige Befreiung der Menschheit durch Ersetzen der komplexen, oft unverständlichen Welt der Marktwirtschaft durch gewissenhafte, "wissenschaftliche" Kontrolle. Die Umsetzung des marxistischen Wirtschaftsexperiments durch Lenin und Trotzki in Russland endete in einer Katastrophe. In den nächsten 70 Jahren torkelten rote Regenten von einer unausgegorenen Lösung zur nächsten. Aber Terror hielt sie fest im Sattel, und die kolossalste Propagandamaschinerie der Geschichte überzeugte sowohl Intellektuelle im Westen als auch in der aufkommenden Dritten Welt, dass der Kommunismus tatsächlich "die strahlende Zukunft der gesamten Menschheit" war.

Die Friedensverträge, die von Präsident Woodrow Wilson und den anderen Führern der Alliierten zusammengebastelt worden waren, machten Europa zu einem von Ressentiments und Hass schäumenden Kessel. Verleitet durch nationalistische Demagogen und in Furcht vor der kommunistischen Bedrohung wandten sich Millionen Europäer den Formen der Staatsverehrung zu, die man Faschismus und National-Sozialismus oder Nazismus nennt. Obwohl von wirtschaftlichen Fehlern durchlöchert, versprachen diese Doktrinen Wohlstand und nationale Macht durch vollkommene staatliche Kontrolle der Gesellschaft, während sie mehr und größere Kriege vorbereiteten.

In den demokratischen Ländern waren mildere Formen des Etatismus die Regel. Die heimtückischste war die Form, die in den 80er Jahren des 19. Jahrhunderts in Deutschland erfunden worden war. Dort schuf Otto von Bismarck, der Eiserne Kanzler, eine Reihe von Versicherungsanstalten für hohes Alter, Behinderung, Unfälle und Krankheiten, die vom Staat betrieben wurden. Die deutschen Liberalen dieser Zeit argumentierten, dass solche Vorhaben schlicht und einfach eine Rückkehr zum Paternalismus absolutistischer Monarchien darstellten. Bismarck behielt jedoch die Oberhand, und seine Erfindung - der Wohlfahrtsstaat - wurde schließlich überall in Europa kopiert, auch in den totalitären Staaten. Mit dem New Deal kam das Konzept des Wohlfahrtsstaates nach Amerika.

Dennoch blieben Privateigentum und freier Austausch die grundlegenden Organisationsprinzipien der westlichen Volkswirtschaften. Wettbewerb, Profit, die Akkumulation von Kapital (einschließlich Humankapitals), Freihandel, die Perfektionierung der Märkte, zunehmende Spezialisierung - all dies trug zur Effizienz, zum technischen Fortschritt und damit zum höheren Lebensstandard der Bevölkerung bei. Diese kapitalistische Produktivitätsmaschine erwies sich als derart kraftvoll und widerstandsfähig, dass die weit verbreiteten staatlichen Interventionen, Zwangsmitgliedschaft in Gewerkschaften und sogar durch die Regierungen verursachte Wirtschaftskrisen und Kriege das wirtschaftliche Wachstum auf lange Sicht nicht beeinträchtigen.

Die 20er und 30er Jahre des 20. Jahrhunderts stellten den Tiefpunkt der klassisch-liberalen Bewegung dieses Jahrhunderts dar. Besonders nach Eingriffen der Regierung in das monetäre System, welche zum Crash von 1929 und zur Weltwirtschaftskrise führten, herrschte die Meinung vor, dass der kompetitive Kapitalismus und mit ihm die liberale Philosophie am Ende waren.

Man könnte sagen, dass der klassische Liberalismus im Jahre 1922 wiedergeboren wurde, als der österreichische Ökonom Ludwig von Mises das Buch "Sozialismus" veröffentlichte. Mises war nicht nur einer der bedeutendsten Denker des Jahrhunderts, sondern auch ein Mann von unbeirrbarem Mut. In "Sozialismus" warf er den Feinden des Kapitalismus den Fehdehandschuh vor die Füße. Im Großen und Ganzen sagte er: "Man kann das System des Privateigentums beschuldigen, alle sozialen Übel zu verursachen, welche nur der Sozialismus heilen kann. Gut. Aber könnten Sie nun etwas tun, was Sie bisher noch nie zu tun gedacht haben: Könnten Sie bitte erklären, wie ein komplexes wirtschaftliches System ohne Märkte und damit ohne Preise für Kapitalgüter funktionieren sollte?" Mises zeigte, dass wirtschaftliche Rechnung ohne Privateigentum unmöglich war und entblößte Sozialismus als leidenschaftliche Illusion.

Indem Mises die vorherrschende Orthodoxie herausforderte, öffnete er vielen Denkern in Europa und Amerika die Augen. F. A. Hayek, Wilhelm Röpke und Lionel Ribbons waren unter denen, welche Mises zum freien Markt bekehrte. Und während seiner äußerst langen Karriere verfeinerte und erneuerte Mises seine ökonomische Theorie und soziale Philosophie, wodurch er als führender klassisch-liberaler Denker des zwanzigsten Jahrhunderts Anerkennung fand.

In Europa und besonders in den Vereinigten Staaten hielten verstreute Einzelpersonen und Gruppen etwas vom alten Liberalismus am Leben. An der London School of Economics und der University of Chicago konnte man sogar in den 1930er und 40er Jahren Akademiker antreffen, die zumindest die grundsätzliche Gültigkeit der Idee des freien Unternehmertums verteidigten. In Amerika überlebte eine bekämpfte Brigade brillanter Schreiber, vor allem Journalisten. Unter ihnen, die nun als "Old Right" bekannt sind, waren Albert Jay Nock, Frank Chodorov, H. L. Mencken, Felix Morley und John T. Flynn. Durch die totalitären Implikationen des New Deal von Franklin Roosevelt aufgeschreckt, brachten diese Autoren wieder den traditionellen amerikanischen Glauben an die Freiheit des Individuums und das spöttische Misstrauen gegenüber der Regierung zum Ausdruck. Sie waren auch gegen Roosevelts Politik der globalen Einmischung, weil es die amerikanische Republik untergrub. Unterstützt von einigen wenigen mutigen Herausgebern und Geschäftsleuten, nährten die "Old Right" die Flamme der Jeffersonschen Ideale während der dunkelsten Tage des New Deal und des Zweiten Weltkriegs.

Am Ende dieses Krieges entstand eine Art Bewegung. Sie war zunächst klein, wuchs dann aber durch Aufnahme verschiedener Strömungen. Hayeks Buch "Road to Serfdom" ("Weg zur Knechtschaft") aus dem Jahre 1944 machte viele Tausende darauf aufmerksam, dass der Westen, indem er sozialistische Politik umsetzte, den Verlust seiner traditionellen freien Zivilisation riskierte. 1946 gründete Leonard Read die Foundation for Economic Education in Irvington, New York, und veröffentlichte die Werke von Henry Hazlitt und anderen Verfechtern des freien Marktes. Mises und Hayek, die nun beide in den Vereinigten Staaten lebten, setzten ihre Arbeit fort. Mises, der als Lehrer unübertroffen war, gründete ein Seminar an der New York University, zu dem es solche Studenten wie Murray Rothbard und Israel Kirzner zog. Rothbard vermählte die Erkenntnisse der österreichischen Ökonomie mit den Lehren des Naturrechts, um eine mächtige Synthese zu erzeugen, die viele junge Menschen ansprach. An der University of Chicago leiteten Milton Friedman, George Stigler und Aaron Director eine Gruppe klassisch-liberaler Ökonomen, deren Spezialgebiet es war, die Mängel der Handlungen der Regierung aufzuzeigen. Die hoch begabte Autorin Ayn Rand brachte betont libertäre Thematiken in ihre gut geschriebene Bestseller ein und begründete sogar eine philosophische Schule.

Die Reaktion auf die Erneuerung des authentischen Liberalismus war auf Seiten des linken - "liberalen" oder, besser gesagt, sozialdemokratischen - Establishment erwartungsgemäß heftig. 1954 gab Hayek beispielsweise einen Band mit dem Titel "Capitalism and the Historians" ("Kapitalismus und die Historiker") heraus, eine Sammlung von Aufsätzen von ausgezeichneten Gelehrten, die gegen die vorherrschende sozialistische Interpretation der Industriellen Revolution argumentierten. Ein wissenschaftliches Journal erlaubte es Arthur Schlesiger Jr., seines Zeichens Harvard-Professor und New-Deal-Fanatiker, das Buch mit folgenden Worten zu verreißen: "Amerikaner haben schon genug Ärger mit einheimischen McCarthys. Sie brauchen keine Wiener Professoren zu importieren, um diesem Prozess akademischen Glanz zu verleihen." Andere Werke versuchte das Establishment durch Totschweigen zu vernichten. Selbst 1962 hatte noch keine einzige prominente Zeitschrift oder Zeitung Friedmans Buch "Capitalism and Freedom" ("Kapitalismus und Freiheit") besprochen. Dennoch stießen die Autoren und Aktivisten, welche die Wiederbelebung des klassischen Liberalismus anführten, in der Öffentlichkeit auf zunehmende Resonanz. Millionen Amerikaner aus allen Schichten hatten im Stillen die Werte des freien Marktes und des Privateigentums in Ehren gehalten. Die zunehmende Präsenz eines soliden Corps intellektueller Vorreiter ermutigte viele dieser Bürger, offen für die Ideen einzutreten, die sie seit langem hegten.

In den 1970er und 80er Jahren, als klar wurde, dass die sozialistischen Planungs- und Interventions-Programme fehlgeschlagen waren, wurde der klassische Liberalismus zur weltweiten Bewegung. In den westlichen Ländern und schließlich erstaunlicherweise auch in den Nationen des ehemaligen Warschauer Paktes bekannten sich politische Führer als Schüler von Hayek und Friedman. Gegen Ende des Jahrhunderts war der alte, authentische Liberalismus wieder am Leben und sogar stärker als noch vor hundert Jahren.

Dennoch expandiert der Staat in den westlichen Ländern ungehemmt und erobert einen Bereich des gesellschaftlichen Lebens nach dem anderen. In Amerika gerät die Republik in Vergessenheit, weil zentralstaatliche Bürokraten und globale Planer mehr und mehr Macht ans Zentrum reißen. Daher geht der Kampf weiter, und so muss es auch sein. Vor zwei Jahrhunderten, als der Liberalismus jung war, hatte Jefferson uns bereits über den Preis der Freiheit informiert: ewige Wachsamkeit.

* Quelle: Liberty.li

Thursday, October 11, 2007

Imperium Europa, da capo

Zu dieser leidigen Debatte einiger spin doctors aus dem Hause Springer hat sich jetzt auch Roger Köppel zu Wort gemeldet. Sein Statement ist im besten Sinne schweizerisch - und erzliberal:

Joschka Fischers Europa. In einem Essay für den Tages-Anzeiger fordern der frühere deutsche Aussenminister Fischer und ein paar Kollegen, Europa müsse endlich «Muskeln zeigen». Der in zwei Weltkriegen militärisch ruinierte Kontinent soll sein ökonomisches Gewicht in strategische Macht ummünzen. Eine in Brüssel koordinierte europäische Aussenpolitik habe die «Werte und Interessen Europas in der Welt» zu fördern. Skizziert wird die Aufrüstung der EU durch aussenpolitische Gewaltmittel, ein multilateraler Machttransfer von der nationalen auf die supranationale Stufe. Die Naivität erstaunt. Vor einigen Jahren sah Grossraumpolitiker Fischer seine europäischen Bundesstaatsambitionen scheitern. Jetzt hofft er offensichtlich auf das Amt des europäischen Aussenministers. Wie stellt man sich das Gebilde im Ernstfall vor? Hat der europäische Aussenminister die Kompetenz, Truppen zu entsenden? Könnte ein deutscher Politiker einer britischen Armee den Fronteinsatz befehlen? Wird die EU militärisch bündnisfähig? Kann sie am Ende eine europäische Wehrsteuer erheben? Fischers Vorstoss steht quer zur Wirklichkeit. An den Urnen scheiterte der Versuch, die EU per Verfassung mit staatsähnlichen Attributen zu versehen. Die Macht über Krieg und Frieden, über Wirtschaftssanktionen und Boykotte soll nun aber dennoch kommen. «Zu oft», heisst es, «vergeudet Europa seine potenzielle Stärke durch Nabelschauen und Uneinigkeit.» Grösse, Stärke, Macht: Global-Denker Fischer schliesst an unheiligste europäische Traditionen an. Vor 60 Jahren endete der letzte Versuch einer zwanghaften Reichswerdung in einem Blutbad. Jetzt darf unter neuen Vorzeichen wieder geträumt werden. Das Friedensprojekt Europa wird heimgesucht von alten, dunklen Fantasien. Hat da jemand Grössenwahn gesagt?

Fischers Europa, Nachtrag. Die Schweiz war einst eine europäische Grossmacht. Zu Beginn des 16. Jahrhunderts glaubte der Florentiner Strategie-Experte Machiavelli, die Eidgenossen seien stark genug, Italien zu erobern. Die Grossmachtallüren endeten vor Mailand in der Schlacht von Marignano. Die Eidgenossen unterlagen. Der Untergang war total und heilsam. Die Schweiz gab ihre aussenpolitischen Ambitionen auf. Sie entwickelte im Umgang mit der Welt das Ethos einer früh globalisierten Privatbank. Man ist überall dabei, nirgends wirklich drin und hält sich alle Türen offen. Das drückte auf die nationale Sehnsucht nach Grösse, aber es machte uns reich und ungefährlich. Nicht die alte römische Reichsidee sollte die europäischen Geo-Fantastiker beflügeln. Eine europäische Magna Helvetia wäre erfolgreicher.

Roger Köppel, Tagebuch, Weltwoche Nr. 40.07

Köppel hält übrigens zum Thema "Europa - quo vadis?" am Mittwoch, 24. Oktober in Zürich beim Liberalen Gesprächskreis ein Impulsreferat.

Wednesday, October 10, 2007

Eva-luierung einer deutschen Debatte

In diesem Lande sind einmal wieder sämtliche Schränke tassenfrei. Man könnte glauben, dieses Land habe wirklich keine anderen Sorgen, als stutenbissige Debatten zwischen keifernden Weibern (by the way: warum fehlte eigentlich die unvermeidliche Neocon-Hexe Thea Dorn in der gestrigen Kerner-Runde?) zu verfolgen, die es sich in ihren paläo- oder neospießigen Kuschelecken wohnlich eingerichtet haben und die ihren Nachbarn unerbetene Vorschriften über allgemeinverbindliche Lebensstile zu machen sich befugt fühlen im Namen der Chimäre "Gemeinwohl", über die Bodo Wünsch heute alles Notwendige gesagt hat.

Nachdem ich mich zunächst durch wirklich sehr viel närrischen Müll hindurcharbeiten mußte, fand ich die klügste und differenzierendste Erörterung der in holprigem Deutsch verkleideten, wirren Thesen von Evchen Herman bei Marian Wirth von den Bissigen Liberalen und korrespondierend dazu die schonungsloseste Bloßstellung ihrer aufgeplusterten und sich zu kalkulierten Empörungsgesten warmlaufenden Gegner bei Henryk M. Broder. Broder nannte dankenswerterweise auch den stets unausgesprochenen Subtext dieser quälenden Debatten, über den sonst alle Meinungslager dieser verlumpten Republik den Mantel des Schweigens decken, einmal beim Namen:


"Und es sind nicht nur die Autobahnen, die zum gerne und selbstverständlich benutzten Erbe des Dritten Reiches gehören. Der Historiker Götz Aly hat in seinem Buch "Hitlers Volksstaat" an vielen Beispielen belegt, woher der Reichtum der Bundesrepublik kommt und welche sozialen Regelungen von den Nazis übernommen wurden, darunter das sogenannte Ehegattensplitting und die Krankenversicherung für Rentner. Wer sich heute glaubwürdig und nachhaltig von den Nazis distanzieren wollte, müsste nicht nur die Autobahnen meiden, sondern auch auf das Kindergeld verzichten, schließlich wurden im Dritten Reich Ehestandsdarlehen gewährt, die durch die Geburt von vier Kindern vollständig getilgt werden konnten."


Die hier schon desöfteren thematisierten Kontinuitäten und Affinitäten des Gegenwärtigen und vermeintlich Guten zum Vergangenen und unsagbar (singulär!) Bösen machen ein krampfhaftes und dabei nicht selten hyperventilierendes Abgrenzen vom als intuitiv eben doch als ähnlich Empfundenen so notwendig. Der ganze öffentlich zur Schau gestellte Anti-Nazi-Exorzismus dient der Selbstentlastung des Anti-Nazi-Kollektivs Deutschland, welches seine begründeten Selbstzweifel ob der Berechtigung, sich überhaupt "anti" fühlen zu dürfen dadurch zu überdröhnen versucht. Andernfalls drohte, mit der Lebenslüge eine systemstabilisierende Kollektiv-Identität zusammenzubrechen. Wie Sloterdijk einmal sagte:

"Nach 1945 haben wir vom Nationalsozialismus auf Sozialnationalismus umgestellt, parteiübergreifend. Folglich konnte damals der einzige real existierende Beinahe-Sozialismus der Welt auf deutschem Boden entstehen, in Form der guten alten Bundesrepublik. Die DDR lieferte hierzu die Parodie."


Oder wie ist es sonst zu erklären, daß sich durch die vom Permafrostgrinsen der unsäglichen Frau von der Leyen orchestrierte familienpolitische mainstream-Debatte (und nicht nur durch die eher albernen Wortmeldungen einer ohne Teleprompter irgendwie sprachgestört wirkenden TV-Ansagerin) immer mehr Singles und Kinderlose dem impliziten Vorwurf des sozialen Trittbrettfahrertums ("Schmarotzer" und "Volksschädlinge" zu sagen, käme heutzutage medial irgendwie uncool rüber) ausgesetzt sehen, weil sie nichts zur Volksgemeinschaft Solidargemeinschaft beitragen? Warum schreibt Alice Schwarzer nicht auch einmal der derzeit die Erfordernisse sogenannter "Familienpolitik" (vulgo: Bevölkerungspolitik) durchdeklinierenden classe politique ins Stammbuch, was sie der völlig überforderten Frau Herman durchaus zu Recht entgegenschleuderte: "Zum Glück müssen wir dem Führer heute keine Kinder mehr schenken." Dem Führer nicht, aber dafür dem umlagefinanzierten Rentensystem, dem fiskalkleptokratischen Leviathan und der auf verheizbares Menschenmaterial angewiesenen Interventionsmacht Europa schon.

Schließlich steuerte noch Christian Hoffmann eine medienanalytische Betrachtung bei, die wohl den Kern aller deutschen Tabu-Debatten sehr schön erfaßt.

Darum soll er heute auch das Schlußwort haben:

"Der Umgang der deutschen Öffentlichkeit (d.h. in erster Linie der Intellektuellen) mit der Vergangenheit des 3. Reiches ist durchaus interessant - vor allem sozialpsychologisch. Angenommen, man möchte die kollektive Identität “der Deutschen” beibehalten und sich als Teil dieses Kollektivs identifizieren, dann man sich mit der hässlichen Vergangenheit dieses Kollektivs auseinandersetzen. Nur sehr wenige sind dabei verbohrt genug, die hässliche Vergangenheit zu beschönigen und zu umarmen. Eine andere Möglichkeit des Umgangs ist das Ignorieren der Vergangenheit. In der Regel wird man die Hässlichkeit der Kollektivvergangenheit jedoch anerkennen müssen. Damit diese dann nicht die Kollektividentität gefährdet (kognitive Dissonanz), muss man Wege finden, das Stigma identitätsverstärkend zu interpretieren. Also versucht man sich an einer “Aufarbeitung”, welche eben vorbildlich und besonders lobenswert ist. Der Verbrecher wird zum Held, indem er seine Taten öffentlich büsst und bereut und kompensiert. Damit wird jedoch das Verbrechen, bzw. seine Überwindung zum Bestandteil der Kollektividentität. Dem heutigen kollektiven Deutschen das Dritte Reich zu nehmen, wäre mindestens so schmerzhaft, wie dem Schweizer das Rütli und den Tell zu nehmen. Daran wird sich erst etwas ändern, wenn die Geschichte genug alternative Anlässe einer Reorientierung der Kollektividentität geboten hat. Solche Reorientierungen sind aber meist mit dramatischen Einschnitten verbunden. Insofern wäre es mir lieber, die deutschen Kollektivisten identifizierten sich weiterhin als Ex-Nazis. Als Kollektivisten kommen sie aus dieser Falle zu Recht nicht heraus."


und:

"Als bestes Rezept gegen die Germanomanie empfehle ich meist die Entwicklung einer individuellen Identität *gasp* Leider ein für viele Patienten allzu schmerzhafter Prozess…
Wenn jemand sich also schon unbedingt als Doitscher identifizieren will, dann soll er auch das zugehörige Büssergewand tragen! Kollektive Identitäten sollten prinzipiell so unangenehm wie möglich sein."

Tuesday, October 09, 2007

Großer Lesesaal

Anläßlich der heute ihre Pforten öffnenden Frankfurter Buchmesse möchte ich auf ein paar Lektüre-Empfehlungen freiheitlicher Blogger verweisen. So haben die Kollegen von GayWest kürzlich den anarchistischen Denker Paul Goodman mit seinem radikale Ein- und Ansichten vermittelnden Werk "Natur heilt" ausgegraben, Manfred Messmer macht schon einmal auf den dieser Tage neuerscheinenden Dirk Maxeiner "Hurra, wir retten die Welt" neugierig und Michael Kastner empfiehlt in Jo@chims Bibliothek für die Freunde der spannenden Unterhaltungsliteratur den neuesten Krimi von Stefan Blankertz "2068".

Wer sich für die Ökonomie des Linkslibertarismus interessiert, dem bieten "Studies in Mutualist Economy" von Kevin Carson sicher eine wertvolle Einführung. Und mit einer fulminanten libertären Demokratiekritik überrascht Bryan Caplan in seinem neuen Buch "The Myth of the Rational Voter: Why Democracies Choose Bad Policies" mit für deutsche Leser unerhörten Gedanken.

Sunday, October 07, 2007

Wednesday, October 03, 2007