Der folgende Gastbeitrag meines Freundes Christian Hoffmann (Blogger auf freilich.ch) ist eine Replik auf einen Essay von Arne Hoffmann in eigentümlich frei:Wann ist die Meinung frei?Über Political Correctness, Kampagnen-Journalismus und den Staat
Von Christian Hoffmann
Martin Hohmann und Jürgen Möllemann – zwei prominente Opfer der Political Correctness. Beide Politiker wurden aufgrund streitbarer Meinungsäußerungen aus Amt und Würden und in einem Fall gar in den Tod gejagt. In seinem Beitrag „Es darf mit diesem Mann kein Mitleid geben!“ weiß Arne Hoffmann die Atmosphäre einer solchen Polit-Kampagne, die eine bestimmte Person gleichsam „zum Abschuss“ freigibt, sowie die individual-psychologischen Folgen einer solchen Hatz eindrücklich zu beschreiben. Hässliche, unwürdige Szenen. Hier und da geradezu unmenschliche Äußerungen. Doch ist Arne Hoffmann auch Recht zu geben, wenn er behauptet, dass solche „diskursiven Ausgrenzungen“ in Wahrheit gar die „juristische Unterbindung von Meinungsfreiheit“ vorbereiten? Steht hinter diesen Fällen der wild gewordenen Political Correctness tatsächlich ein Prinzip, ein System, welches aus liberaler Perspektive zu kritisieren wäre? Machen demnach Libertäre einen Fehler, wenn sie sich vor allem gegen staatliche Meinungsverbote (von Holocaust-Leugnungs-Verbot bis „Jugendschutz“) wehren?
Arne Hoffmann sieht hier einen Bruch zwischen schöner Theorie und hässlicher Praxis. Dies ist verständlich, hat er sich doch in seiner beruflichen Praxis wiederholt, und – aufgrund eines Interviews mit der umstrittenen Homepage „muslim-markt.de“ – auch gerade aktuell wieder, den Zorn der Verteidiger der Political Correctness zugezogen. Dennoch, oder gerade wegen solcher Konflikte, ist festzuhalten, dass die libertäre „Theorie der Rechte“ keineswegs nur grau, sondern eine unverzichtbare Grundlage der Gestaltung menschlichen Zusammenlebens ist.
In der juristischen Theorie ist auch die Meinungsfreiheit eines jener Bürgerrechte, welche im Rahmen des Konstitutionalismus dem Staat Grenzen auferlegen und damit die Freiheit der Bürger wahren soll. Wie viele dieser Bürgerrechte, krankt auch die Meinungsfreiheit an der Schlüpfrigkeit des zugrunde liegenden Rechtsgutes: Was genau ist eine Meinung? Besitzt man eine Meinung, gibt es ein Eigentumsrecht auf eine Meinung? Ergibt sich daraus das Recht jederzeit und überall Meinungen zu äußern? Wie üblich ist es der Staat, der je nach eigenem Bedürfnis die Kompetenz reklamiert, derartige Fragen beantworten zu können. Wie üblich ist damit staatlichen Beschränkungen der "Meinungsfreiheit" Tür und Tor geöffnet.
Wie beurteilt dagegen die libertäre Theorie das „Recht auf Meinungsfreiheit“? In einer freiheitlichen Gesellschaft soll hier jeder Mensch das Recht haben, mit sich und dem eigenen Eigentum zu tun und lassen, was ihm beliebt, solange er dabei nicht die (Eigentums-)Rechte anderer verletzt. Natürlich hat der Mensch entsprechend das Recht, auf eigenem Grund und Boden und mit dem eigenen Eigentum jede erdenkliche Meinung und Erkenntnis zu verbreiten. Die "Meinungsfreiheit" ist also schlicht ein Derivat der Eigentumsrechte. Dies kann so verdeutlicht werden: Kein Mensch hat das Recht, auf dem Grund und Boden eines anderen oder mit den Mitteln eines anderen gegen dessen Willen Aktivitäten zu entfalten, einschließlich der Verbreitung von "Meinungen". Als Derivat der Eigentumsrechte endet die Meinungsfreiheit selbstverständlich bei der Verletzung dieser Rechte. Wird jedoch ein Mensch davon abgehalten, mit den eigenen Mitteln eine Meinung zu verbreiten, so ist dies nichts anderes, als eine illegitime Verletzung seiner Eigentumsrechte - sei es durch Zerstörung, Diebstahl, Freiheitsberaubung oder Körperverletzung. Kein Individuum hat das Recht, solche Verstöße vorzunehmen. Es ist jedoch der Staat, der auch hier systematisch und regelmäßig Eigentumsrechte verletzt, indem er unliebsame Meinungen verbietet und verfolgt. Es ist daher geradezu die Pflicht eines jeden Libertären, auch im Falle eines "Ekel-Themas" wie der Holocaust-Leugnung auf die Einhaltung der Eigentumsrechte zu beharren und nicht etwa, wie Arne Hoffmann dies vorschlägt, eine "Güterabwägung zu anderen Werten" vorzunehmen.
Wie verhält es sich nun im Falle medialer Polit-Kampagnen, wie jener gegen Hoh- und Möllemann? Von der Illegitimität staatlichen Rundfunks abgesehen, haben hier Verlage ihr Eigentum genutzt, um gewisse Meinungen zu transportieren. Niemand wurde zum Konsum dieser Medienprodukte gezwungen, niemandes Rechte wurden also verletzt. Auch ist es das gute Recht von Vereinen, unliebesame Mitglieder satzungsgemäß auszuschliessen. Offenbar verstoßen derartige Kampagnen also keineswegs gegen ein libertäres Rechtsverständnis.
Arne Hoffmann scheint nun große Hoffnungen in den juristischen Schutz des Rufs oder der Würde einer Person zu legen. Ironischerweise ist genau dies ein Punkt, an dem die libertären Alarmglocken zu schrillen beginnen. Der Ruf einer Person ist nichts anderes als das Bild dieser Person, das andere Menschen in ihrer Vorstellung tragen. Es gibt also kein Eigentumsrecht an einem Ruf, und selbst wenn, so läge dieses nicht bei der Person, um dessen Ruf es sich handelt. Ein Schutz des Rufes lässt sich auch nicht aus einem anderen Eigentumsrecht ableiten. Im Gegenteil, das Verbot, mit eigenen Mitteln rufschädigende Informationen (ob wahr oder falsch) über andere zu verbreiten, ist ein nicht zu rechtfertigender Eingriff in die Rechte des Rufschädigers. Es sollte doch schon bedenklich stimmen, wenn der Staat hier einmal mehr ein "Bürgerrecht" nutzt, um Sondertatbestände für das eigene Personal, wie im Falle der "Beamtenbeleidigung" zu schaffen. Der "Persönlichkeitsschutz" ist hier nichts anderes als ein eklatanter Bruch fundamentaler Eigentumsrechte.
Wie sind also zusammenfassend die von Arne Hoffmann beschriebenen Exzesse der Political Correctness zu bewerten? (Von der individuellen, moralischen Beurteilung dieser Vorgänge einmal abgesehen.) Offenbar wurde in keinem der Fälle die Meinungsfreiheit in irgendeiner Form bedroht. Die Eigentumsrechte der "Opfer" blieben ebenso unangetastet wie die der "Verfolger". Einmal mehr wäre es schlicht absurd, ausgerechnet den Staat an dieser Stelle mit dem Schutz der Meinungsfreiheit zu beauftragen. Wie beschrieben, schränkt keine Institution diese so häufig und radikal ein, wie eben der Staat selbst. Nicht nur der Jugendschutz und seine hässlichen Verwandten sind hierfür Beispiele, sondern eben gerade auch der so genannte Persönlichkeitsschutz. Ziel von Liberalen sollte daher – anders als Arne Hoffmann dies darstellt - nicht unbedingt eine Gesellschaft sein, in der Meinungen unbegrenzt geäußert werden können. Ganz sicher sollte es keine Gesellschaft sein, in der Meinungsvielfalt staatlich gefördert wird (ohnehin ein Widerspruch in sich). Ziel sollte immer, und eben auch in diesem Fall, eine Gesellschaft sein, in der Eigentumsrechte mit all ihren Folgen Bestand haben und durchgesetzt werden können. Es kann nicht überraschen, dass auch hier einmal mehr die Politik das Problem, und eben nicht die Lösung ist. Abschließend muss auch die Tatsache noch erwähnt werden, dass publizistische Kampagnen, wie die gegen Hohmann und Möllemann, ohne das unheilvolle Anreizsystem des Staates vermutlich ohnehin überhaupt nicht denkbar wären.
Literatur:
Murray Rothbard: Die Ethik der Freiheit
Walter Block: Toward a Libertarian Theory of Blackmail. In: Journal of Libertarian Studies Volume 15, no. 2 Spring 2001
Christian Hoffmann: Der Irrtum der "Bürgerrechtsliberalen". In: eigentümlich frei, 8. Jg, Nr. 57 November 2005.