Monday, June 18, 2007

Staatsfrommer Beschwichtigungsliberalismus

Über die diesjährigen Hayek-Tage in der preußischen Garnisonsstadt Potsdam, die erwartungsgemäß so unspektakulär verlaufen sind wie das von den Veranstaltern, die keine Presse "schlechter Presse" stets vorzuziehen bereit sind, offenbar gewünscht wird, berichtet immerhin die ab und an liberale Stimmen zu Wort kommen lassende NZZ in ihrer Ausgabe vom 11. Juni 2007.

Die Kernbotschaft der Tagung lautet, wie könnte es bei durch teutonischen Etatismus gründlich domestizierten Streichelzoo-Liberalen auch anders sein, daß man sich - im Lande der von 98 Prozent der Bevölkerung geteilten Staatsmetaphysik! - von den Anarchisten distanziere:

"Gerade weil die Freiheit das höchste Gut des Menschen ist, darf die Freiheitsliebe politisch freilich nicht in Anarchismus münden."


Symptomatisch für dieses arg limitierte (und staatlich lizenzierte?) Verständnis von Hayeks radikalem Ideengut wird auch der dieses Jahr die Hayek-Vorlesung haltende Ökonom Hans Willgerodt wiedergegeben:

"Eine freie Gesellschaft brauche Regeln, die ihren eigenen Fortbestand sicherten, und dafür sei der Staat zuständig - innerhalb festgelegter Grenzen. Die Hoffnung, dass sich im gesellschaftlichen Wandel rechtzeitig spontan Regeln des angemessenen Verhaltens herausbildeten, sei wirklichkeitsfremd."


Und dann setzt er noch einen oben drauf:

"Willgerodt rief die Liberalen zu mehr politischem Engagement auf."


Stefan Blankertz zeigt in "Die Therapie der Gesellschaft" warum es nun wirklich an der Zeit ist, den betulich-hasenfüßigen "Hayekianern" aus dem medial-edukativ-korporatistischen Establishment die Deutungshoheit über das Werk des Meisters zu entreißen:

„Hayeks Wirkungsgeschichte im Sinne traditioneller wirtschaftswissenschaftlicher Politikberatung ist seit langem abgeschlossen. Daran ändern auch Lippenbekenntnisse einiger »konservativer« Politiker nichts, da sie keine praktischen Konsequenzen ziehen. Meist kennen sie Hayeks Theorie gar nicht.

In den 30er Jahren ist Hayek gegen den keynesianischen »Interventionismus« angetreten. Es spricht einiges dafür, daß nicht die Überlegenheit der Theorie den wirtschaftlichen Triumph von Keynes begründete, sondern deren bessere politische Verwertbarkeit: Während Hayek den Politikern empfahl, sich zurückzuhalten, konnte Keynes ihnen raten, durch vermehrte Staatsausgaben aktiv zu werden – was sowohl für ihr Image als auch für die Vertretung ihrer Interessen günstiger war.

Auf einer ganz anderen Ebene allerdings beginnt die Wirkungsgeschichte von Hayek erst. Eine Reihe von amerikanischen Hayek-Schülern ist über eine Analyse politischer Entscheidungsstrukturen zu der Überzeugung gelangt, daß Politikberatung in der Art ihres Lehrmeisters gar nicht möglich oder auch nur wünschenswert sei. Vielmehr müsse die Theorie ihre Praxis in einer sozialen Bewegung finden, die von jenen Bevölkerungskreisen getragen wird, denen die staatliche Einschränkung oder Unterbindung der »spontanen Ordnung«, also die etatistische Manipulation, besonders schadet. Das sind nun gerade nicht die Mächtigen und Reichen, die die staatlichen Instrumente ja stets zu ihrem eigenen Vorteil einsetzen.“


Daß Hayek und auch dessen genialischer Lehrer Ludwig von Mises, als Kinder ihrer Zeit, jene sich aus der konsequenten Fortentwicklung ihrer Erkenntnisse streng logisch ergebenden anti-etatistischen Schlußfolgerungen nicht immer mit letzter Entschiedenheit zu ziehen bereit waren, nehmen einige ihrer selbsternannten Epigonen gerne zum Vorwand, deren Theorien in einem sehr statischen, ja geradezu musealen Verständnis gefangenzuhalten, wo sie möglichst wenig Sprengkraft zu entfalten vermögen. Hayek und Mises werden von den Beschwichtigungsliberalen auf staatlich besoldeten Lehrstühlen, in den "marktwirtschaftlichen" think tanks (die eigentlich ehrlicherweise Regierungsberatungsagenturen heißen sollten) und den staatstragenden "bürgerlichen" Print-Medien Etatismus-kompatibel rundgelutscht.

Man spreche nur mal auf einer Tagung sogenannt liberaler Ökonomen oder Sozialwissenschaftler Mises' weitreichende Forderungen zum Sezessionsrecht oder Hayeks nicht minder radikale Überlegungen zu einer "Entnationalisierung des Geldes" an und man wird alsbald merken, wie schnell sie alle bemüht sind, diese Ideen mit altväterlich-gütigem Gesichtsausdruck als irgendwie "spleenig" und nicht ganz ernstzunehmend abzutun und dem "jungen Freund" derartige Flausen geflissentlich auszureden.

Das in den vor allem intellektuellen Auseinandersetzungen etwa um die "Globalisierung" weitgehend ungenutzte Erbe von Mises und Hayek wartet noch immer darauf, endlich angetreten zu werden, indem man es mit Leben erfüllt und ihre Ideen in den Köpfen und Herzen junger rebellischer Menschen ein Feuer entzünden (die heute, dank staatlich okkupiertem Medien- und Bildungssektor, stattdessen fette Beute antikapitalistischer Rattenfänger zu werden drohen). So könnte ein couragierter, kämpferischer und kompromißloser Liberalismus fruchtbar gemacht und in den geistigen Herausforderungen des 21. Jahrhunderts endlich zur vollen Blüte gelangen. Bis dato werden Mises, Hayek und die anderen großen Freiheitsdenker und Weggefährten ihrer Zeit indes bloß von Nachlaßverwaltern mehr schlecht als recht gepflegt - und einmal im Jahr pflichtschuldigst abgestaubt. Das ist zu wenig!

2 comments:

Anonymous said...

Betrifft Friedrich-August-von-Hayek-Gesellschaft e.V.

Die Friedrich-August-von-Hayek-Gesellschaft e.V. ist m.E. eine illibertäre (!!!) Gesellschaft, die primär der Selbstprofilierung von gewissen Vorstandsmitgliedern sowie der Verstärkung einer zuvor bereits bestandenen kartellistisch-illiberalen-illibertären Seilschaft dient - siehe momentane Fussnoten zu “Kontroverse über F.A. von Hayek” auf www.fahayek.net.
Demnächst wird ein Kurzartikel auf www.fahayek.net über die Friedrich-August-von-Hayek-Gesellschaft e.V. auf www.fahayek.net erscheinen.

Fazit: Sie werden mich daher bis auf weiteres nicht an Tagungen oder an Veranstaltungen der besagten Gesellschaft vorfinden. Der Gesellschaft gehören auch einige Mitglieder der sozial-marktwirtschaftlichen oder ordo-liberalen Richtung an, die ich schätze, die aber kaum einen Einfluss auf die Gesellschaft ausüben. Was gewisse Vorstandsmitglieder sowie ihnen zugewandte Mitglieder anbelangt, kann ich nur lautstark folgendes Lied anstimmen:
“Alle Vögel sind schon da, alle Vögel, alle!”…

Dominik Hennig said...

Unsägliche liebedienerische Staatsfrömmelei. Ein peinliches Bekenntnis zur Grundsatzlosigkeit des “Ja, aber”, jedoch durchaus typisch für die inferiore Spezies bundesdeutscher Establishment-Liberaler.