Saturday, January 19, 2008

Neoliberalismus: Was gut war, war nicht neu, was neu war, war nicht gut

Der als tagespolitisch entwerteter Kampfbegriff zum verbalen Schlagetot avancierte "Neoliberalismus" ist nicht zuletzt auch auf diesem Blog schon erschöpfend behandelt und an anderer Stelle genüßlich persifliert worden. Dennoch sei heute noch einmal auf einen den Stand der Debatte sehr schön zusammenfassenden Artikel mit dem Titel "Feindbild Neoliberalismus" verwiesen, den Robert Nef für die Schweizer Monatshefte verfaßt hat, deren Januar-Ausgabe sich mit dem Schwerpunktthema "Jenseits von Liberalismus light" beschäftigt. Der Begriffsbildung "neo-liberal" mögen höchst schätzens- und ehrenwerte Absichten zugrundegelegen haben, in der Retrospektive muß man jedoch zu dem Schluß kommen, daß diese - als Chiffre für ein diffus staatstolerantes Ideenkonglomerat - sich als untauglich erwiesen hat, dem liberalen Gedankengut zu neuer Strahlkraft zu verhelfen. Robert Nef schreibt:


"Der Begriff Neoliberalismus ist auf den ersten Blick denkbar schlecht gewählt. Er wurde ursprünglich in der Zwischenkriegszeit von einer Gruppierung von Liberalen verwendet, die sich vom Laisser faire-Liberalismus des 18. und 19. Jahrhunderts (polemisch auch Paläo-Liberalismus genannt) bewusst abgrenzen wollten. Die teils resignierten und teils von Krieg und Krise geschockten Anhänger des Freihandels und freiheitlicher politischer Strukturen rangen damals — vor allem in Deutschland — um eine modifizierte und konsensfähige Form des klassischen Laisser faire - Modells. Tatsächlich zeigt sich rückblickend, dass das wirklich Neue daran nicht gut war und das wirklich Gute nicht neu."


Zum Thema "Jenseits von Liberalismus light" findet am Dienstag, dem 22.01.08 ab 18.30 Uhr eine für alle offene Vernissage des Liberalen Instituts im sirupspace in Zürich statt - man sieht sich dort!

5 comments:

Anonymous said...

"Jenseits von Liberalismus light" Ein schönes Motto! :-)

Anonymous said...

Sehr treffend!
Allerdings frage ich mich kontrafaktisch, wie wir heute dastünden, wenn
es die Neoliberalen nicht gegeben hätte oder sie den klassischen
Liberalismus propagiert hätten. Politisch hätten sie aller Voraussicht
nach das Feld den Etatisten überlassen müssen und Europa hätte
Jahrzehnte einer (schärferen) Form des französischen Sozialismus erlebt.
Der bolschewistische Sozialismus ohne Feinbild und europäische
Herausforderung ist keine angenehme Vorstellung.
Gruß, MvP

Dominik Hennig said...

Vielleicht hat uns aber auch die Hybrid-Form schwächer gemacht als es die Reinform à la Manchester gewesen wäre. Liberalismus wird ja erst ab einer bestimmten Radikalitätsstufe auch für breitere Schichten attraktiv - so paradox das jetzt klingen mag!

Anonymous said...

Volle Zustimmung.
Nur braucht es dann - und sowieso -die modernen Cobdens. Denn der radikale Liberalismus wäre in meinen Szenario ja nur als Theorie existent, ganz Europa noch sozialistischer organisiert und die Klassiker dann nur noch mit einer libertären Renaissance für alle wiederzubeleben.

Anonymous said...

"Liberalismus wird ja erst ab einer bestimmten Radikalitätsstufe auch für breitere Schichten attraktiv"

Wann war der Liberalismus in Reinform denn jemals für breitere Schichten attraktiv? Um eine Aussage zu treffen, ab wann etwas attraktiv wird, braucht man schließlich Erfahrungswerte. (Ich kann ja auch nicht aus dem nichts behaupten, wann Automodell XY für breite Schichten attraktiv wird.)
Und: Ab wieviel Leuten fängt so eine breite Schicht denn an?