Man muß schon einen radikal-emanzipatorischen Ansatz bis zur Fundamentalkritik durchdenken, sonst bleibt alles Kritisieren am Bestehenden nur unverbindliches Gemosere und Genörgel so nach dem Motto “Das System an sich ist ja ganz prima - aber diese Ampelschaltung da drüben, die werde ich mit jeder Faser meines Herzens… und wenn es das letzte ist, was ich tue!” Solcherart teutonisch-radikalismusvermeidenden Fatal-Fanatismus kenne ich zuhauf. Der hat auch den garnicht netten kleinen Nebeneffekt, daß man dann immer Sündenböcke sucht, die anstelle des Systems, das ja ne geile Einrichtung ist, schuld an allen Unbilden sind, z.B. Fremde, das Ausland, diverse Verschwörungen, die “Gottlosen” (bei Hohmann) oder - bei AFL - der als Nettostaatsprofiteur denunzierte arme HartzIV-Empfänger. Das äußert sich gerne auch rabiat, radikal ist es nicht. Dann lieber den Dingen auf den Grund gehen und bei der Analyse keine Heiligen Kühe schonen.
Bin ich Fundamentalist? Da halte ich es (ausnahmsweise mal, wie schon beim Irak-Krieg) mit Gauweiler: “Das Gegenteil von Fundamentalismus ist Treibsand.”
Keith Preston weist übrigens auf
Life, Love and Liberty dankenswerterweise darauf hin, daß der Anti-Etatismus der Oberschichtler
("They no longer see the need to even put on the charade of maternalistic government, which they view as costly and not generating enough profits for corporate interests in the same way that the rapidly expanding prison-industrial complex and other recently emergent forms of repression are doing.")
nur aufgesetzt ist und moralische wie ökonomische Fundamental-Kritik am Wohlfahrtsstaat ein zutiefst
linkes Anliegen!
3 comments:
Ja, Dominik, du bist ein Fundi, und so, wie die 68er heute am liebsten verdrängen würden, was sie einst schrieben, so wirst auch du eines Tages erkennen, dass ideologisch verengte Wahrnehmungs- und Deutungsmuster der Komplexität des Lebens nicht gerecht werden. Gewiss, Prinzipienreiterei kann als Mittel der Kritik sehr nützlich sein (eben deshalb schätze ich ja dein Blog). Aber praktikable Lösungen für die realen Probleme in unserer Gesellschaft können mit dem Beharren auf libertären Prinzipien nicht erarbeitet werden.
Falls mich für diese Aussage nun jemand als Teutone beschimpfen sollte - sei's drum. Das kümmert mich nicht. Den Vorbehalt gegen eine bestimmte deutsche Mehrheitsmentalität teile ich zwar, aber eine anti-deutsche Grundhaltung lehne ich ab. Und so schwach ist mein Selbstwertgefühl als Deutscher ohnehin nicht, dass ich mich über anti-deutsche Töne ereifern oder ärgern könnte. Bleibt nur zu hoffen, dass der deutsche Selbsthass, der hinter vielen anti-deutschen Äußerungen sichtbar wird, nicht eines Tages in nationalen Hochmut umschlägt. Einigen Alt-68ern ist das ja bekanntlich passiert...
Mal sehen, was wir in Zukunft noch von Dominik zu hören bekommen...
tbw
Lieber Dominik,
unsere jeweilige Weltsicht ist durchaus different, hat aber gleichermaßen gemeinsame Ansatzpunkte. Ich will hier nicht aufzählen, in welchen Punkten wir uns wohl ähneln. Aber dennoch möchte ich darauf hinweisen, dass Deine Kritik an der hiesigen Kuschelkritik durchaus ein solcher gemeinsamer Punkt ist. Standhaftigkeit in der Sichtweise ist die Stärke vieler Menschen nicht...
Ich spreche absichtlich von Menschen, weil ich dies nicht als deutsche Eigenart anerkenne. Der Mut radikal zu sein (d.h. dem Übel auf die Wurzel zu gehen; lat. radix = Wurzel, Ursprung) ist in allen Kulturen rar gesät. Vor allem oder gerade in den Industrieländern, die vom herrschenden System eingeimpft bekommen, dass es keine anderen Systemalternativen gibt, und nebenher zeigt man auf den Wohlstand und fragt die Menschen, ob man denn sowas aufgeben will. Man fühlt sich bei dieser Lobhudelei des Systems an den Weltaufsichtsrat Mustafa Mannesmann erinnert, wie er dem Wilden die Gesellschaft der "schönen neuen Welt" (Aldous Huxley) erklären und schmackhaft machen will.
Aber nochmal zurückgesprungen auf meinen Ausspruch, dass ich absichtlich von "Menschen" spreche. Man ist eben nicht antinationalistisch, wenn man negative Verhaltensweisen einer Nationalität zuordnet. Man ist z.B. auch Rassist, wenn man philanthropisch feststellt, dass alle Rassen im Grunde doch gleich sind, dass die Menschen aller Rassen doch ähnlich denken und fühlen. In jenem Moment, in dem sich Rasse ins Denken einschleicht - gleich ob negativ betrachtet oder positiv -, widmet man sich rassischem Denken, ist also Rassist. Denn die Begrifflichkeit "Rassist" ist keine moralische Wertung. Wir kennen aber Rassisten zumeist als üble Spießgesellen, die ihre "eigene Rasse" aufwerten wollen, indem sie "andere Rassen" erniedrigen. In diesem Sinne glaube ich also auch, dass man in dem Moment, in dem man eine Nationalität vorschiebt, um ein bestimmtes Verhalten zu erklären, eben auch ein Nationalist ist. Denn auch der Terminus "Nationalist" ist moralisch belanglos.
Lieber Roberto: Das ist vermutlich der geistreichste und beste Kommentar, den mein Bloggen bislang ausgelöst hat. Danke! :)
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