Thursday, September 24, 2009

Macht Euch nicht zum Urnenpöbel!

Nicht nur im Staatssender ZDF, auch in der ebenfalls staatlich kontrollierten und zwangsfinanzierten ARD kommen in den Tagen vor der Wahl sonst äußerst selten vernommene kritische An- und Einsichten zu Wort. Ein bißchen so wie im Iran unmittelbar vor der letzten Präsidentschaftswahl, als auch plötzlich dem staunenden Fernseh-Publikum ein bis dato ungekanntes Maß an Pluralismus vorgeführt und damit Meinungsfreiheit simuliert wurde, die freilich nach dem Wahlakt wieder kassiert wurde. Bei Sandra Maischberger etwa durfte am Dienstag abend durfte mit dem Rechtsanwalt Dominik Storr ein bekennender Nichtwähler seine Standpunkte artikulieren, nur selten mal unterbrochen durch den ansonsten auf sexistische Zoten abonnierten, spätpubertierenden SPD-Pennälerwitzchenerzähler Ingo Appelt. Für das Kreuzchenmachen aller vier Jahre fand Dominik Storr die schöne Metapher eines uns umgebenden und einschließenden Zauns, über dessen Farbe wir in regelmäßigen Abständen abstimmen dürften. Auf den Gedanken, den Zaun einzureißen käme indes niemand. Den dümmlichen Einwand, wer nicht wähle, befördere die Extremisten ins Parlament, konterte er mit Bravour: "Die Extremisten sitzen doch im Bundestag. Die CDU ist eine extremistische Partei. Wer Krieg führt, wie in Afghanistan, ist Extremist."
Daß Demokratie zudem allenfalls in kleinen überschaubaren Räumen funktionieren könne - eine Einsicht, der sowohl klassisch liberale Nonzentralisten wie auch Jean-Jacques Rousseau unumwunden zustimmen würden - gab Nichtwähler Storr ebenfalls zu Protokoll: nicht national oder supranational, nur regional mache Demokratie überhaupt Sinn. Und schließlich forderte er noch ganz praktisch, das Parteienprivileg aus dem Grundgesetz zu streichen und Parteien auf den Status privatrechtlicher Vereine zurückzuführen, ohne Subventionen durch den Steuerzahler!

Mag Storr auch Radikalökologe und auf etwas diffuse Weise Basisdemokrat sein, entschiedenen Libertären, die sich gerade nicht auf blaugelbe Leimruten locken lassen wollen, steht der profunde Kammernzwang-Gegner deutlich näher, als sogenannten Westlern, die sich darüber auskotzen, daß da mal einer ganz frivol Fundamentalkritik am Common ihrer heißgeliebten Republik, selbstredend der besten aller Welten, übt.

Storrs Auftritt dürfte jedenfalls all jene Wahlabstinenten bestärkt haben, die sich als sehr bewußte Nichtwähler nicht zu Wahltaktierern oder "kleineres-Übel"-Wählern degradieren lassen wollen.

3 comments:

Anonymous said...

Was für ein abstruser Unsinn! Ihr libertären Wirrköpfe würdet Euch schön bedanken, wenn Ihr im Iran leben müsstet wo es keine freien oder nur gefälschte Wahlen gibt!

Christian said...

Tragikomisch ist wirklich der Wallraff - seine Beiträge stehen beispielhaft für die weitgehend politisch verpuffte Generation 68, deren Marsch durch die Institutionen primär mal ihren Arsch in die Institutionen gebracht hat. Wallraff möchte nicht wahrhaben, dass der Inkrementalismus von damals das System nur gestärkt hat, und möchte nun mit der "Linken" nochmal dasselbe Spielchen versuchen. Hier zeigt sich eine leider typische Unfähigkeit zum Denken in Alternativen. Da hilft auch aller gute Willen nichts...

Lydia Krasnic said...

Nicht nur als Libertäre, auch als DemokratIn kann ich nicht zur Wahl gehen!