Wednesday, August 26, 2009

„Wann hört das alles endlich auf?“

fragt sich verzweifelt ein junger Staatssklave des russischen Vaterlandes, dessen unfaßbare Leidensgeschichte einen frösteln läßt. Doch auch im ach so "liberalen", per Flächenbombardements selbstgefällig "Freiheit" exportierenden Westen ist die Barbarei des Wehrzwanges bis auf den heutigen Tag traurige Realität. Rußland und Deutschland halten an der sogenannten "Wehrpflicht" fest. Beides sind ja auch "lupenreine Demokratien". Zum nationalistisch-etatistischen Sündenfall der Einführung des Wehrzwanges, einem mit Blut und Tränen gepflasterten Weg ins Verderben, schreibt Ralph Janik in einem bemerkenswerten Essay auf ef-online:

Mit der Revolution und der parallelen Geburt des Nationalismus kam es zu einem Zusammenfallen der Interessen des Staates und der Nation, die diese Umwälzungen erst umsetzbar machte – das revolutionäre Frankreich war der erste Staat, der die per Nationalismus und Ideale instrumentalisierten Massen vorsätzlich für seine Zwecke mobilisiert hatte.



Die Einführung der Wehrpflicht ist geradezu ein Paradebeispiel dafür, wie Etatismus seinen eigenen Gesetzmäßigkeiten gemäß immer funktioniert:

Der Einführung einer allgemeinen Wehrpflicht war eine lange Debatte vorangegangen, in der die Pros und Contras abgewogen wurden; so würden zwangsrekrutierte Soldaten als Arbeitskräfte auf den Feldern fehlen und es bestand die Möglichkeit der Desertierung. Es war aber vor allem die Auflösung des Widerspruchs, dermaßen in die Selbstbestimmung der Bürger einzugreifen, denen die Revolution doch den berühmten Slogan „liberté, egalité, fraternité“ gebracht hatte, der den Apologeten einer Volksarmee Kopfzerbrechen bereitete. Der jakobinische Militärtheoretiker Dubois Crancé verkündete bereits 1789 in der Nationalversammlung das Weg bereitende Diktum, dass in der postrevolutionären Gesellschaft jeder Bürger zugleich Soldat und jeder Soldat zugleich Bürger sein müsse, wolle sie die Werte der Revolution verteidigen. Der Grundstein für die spätere Einführung der Wehrpflicht war damit gelegt. Es war, wie so oft in der Geschichte, eine Notsituation, die der Staat im Grunde genommen selbst herbeigeführt hatte, die zu der extremen Beschneidung der Grundfreiheiten führte. Denn Frankreich sollte eigentlich ein pazifistischer Staat sein – so wurde in der Verfassung von 1791 der Grundsatz aufgenommen, dass die französische Nation darauf verzichtet, jeglichen Krieg im Hinblick auf Eroberungen zu führen, und dass sie niemals Truppen gegen die Freiheit irgendeines Volkes einsetzen würde. In der Praxis war Frankreich jedoch weit davon entfernt, diesem Prinzip zu entsprechen.


Noch immer ist der Leviathan um keine wohlfeile Rechtfertigungslyrik verlegen, wenn es darum geht, bei seinen Bürgern die Bereitschaft zu wecken, für ihn zu töten und zu sterben:

Ein geschichtliches Beispiel für die Aushebelung von Verfassungsprinzipien mit semantischen Tricks, die wir auch heute finden, wenn bei Angriffskriegen (Irak 2003 etwa, der absurderweise als „Operation Iraqi Freedom“ betitelt wurde) die Rede davon ist, Freiheit und Demokratie zu exportieren. Im Namen der Freiheit Krieg zu führen ist im Lichte der französischen Revolution nichts neues, sondern vielmehr einn auch heute noch ein willkommener Grund, die mittelalterliche Doktrin vom „ius ad bellum“, vom „gerechten Krieg“, wiederaufleben zu lassen.


Und so wird der westlichen "Zivilisation" dieser faschistoide Schandfleck wohl noch eine ganze Weile erhalten bleiben, (wenn nicht wider Erwarten doch noch der libertäre Sklavenaufstand irgendwann die Verhältnisse zum Tanzen bringt). Dem Resümee des Autors ist jedenfalls uneingeschränkt zuzustimmen:

Mit den gewandelten Kriegsformen dieser Tage im Anschluss an die Erfahrung zweier Weltkriege ist die allgemeine Wehrpflicht vorerst obsolet geworden. Heute werden durch Industriestaaten geführte Kriege zumeist durch das ihren Bürgern weggenommene Geld finanziert, nicht mehr durch die physische Zur-Verfügung-Stellung ihrer Leiber. Manchmal verschlafen Staaten schlicht die Entwicklung, etwa wenn Deutschland oder Österreich diese Entwicklung weg von Massenheeren hin zu spezialisierten, professionalisierten und vor allen Dingen kleineren Militärapparaten geflissentlich verpasst. Eine Wirkung der Wehrpflicht könnte allerdings auch sein, dass sich junge Männer in dieser Zeit zum ersten Mal der Härte der staatlichen Hand bewusst werden und ein kritisches Bewusstsein hinsichtlich der Obrigkeit entwickeln; erdreistet diese sich doch, ungefragt über einen längeren Zeitraum Besitz an ihnen zu nehmen als wären sie Sklaven.

Doch die Erfahrung zeigt, dass das menschliche Gedächtnis dazu neigt, negativen Erlebnissen in der Retrospektive ihren Schrecken zu nehmen. Und so kanzeln viele ihre Zeit beim Militär, so sinnlos, qualvoll und mühsam sie auch gewesen sein mag, als „Erfahrung“ ab und vergessen, dass sie trotz der vorgeblichen Zivilisation und offiziellen Abschaffung der Sklaverei einen Zeitraum ihres Lebens nichts wesentlich anderes waren. Es ist übrigens im Lichte dieser nicht von der Hand zu weisenden Ähnlichkeit von Sklaverei und Zwangs-Militärdienst (euphemistisch als Wehrpflicht bezeichnet) nicht verwunderlich, dass der Militärdienst vom Verbot der Zwangsarbeit in der Europäischen Menschenrechtskonvention explizit ausgenommen ist.

12 comments:

Anonymous said...

Mir gefällt Deine inflationäre Verwendung von Begriffen wie "Skalverei", "sklavisch", "faschistoid" usw. überhaupt nicht.

Damit erweist Du Deinen etatistischen Gegnern einen Bärendienst. In Deutschland bleiben selbst Wehrpflichtige Rechtssubjekte, "Sklave" ist also schlicht falsch und daher reine Polemik, gewohnt schlechte, DDH, noch dazu, wo Du ansonsten ganz gut mit Sprache umgehen kannst.

Dennoch: Der "Steuerzahler" ist in jeder Hinsicht viel mehr "Sklave", als es ein Wehrpflichtiger je sein könnte; _der_ kann nämlich niemals "verweigern", auch nicht aus Gewissensgründen...

jo@chim said...

Muss leider meinem Vorredner Recht geben.

Und, schmink Dir eine Hoffnung ab: Es wird niemals einen *libertären* Sklavenaufstand geben. Sklaven wollen nicht die Freiheit - sie wollen selbst Herren sein, wie die Geschichte eins ums andere Mal bewiesen hat.

Dirk said...

Ich sehe Wehrdienst auch nur zu populistischen Zwecken als Sklaverei, weil seine Dauer nicht unbeschränkt ist.

Sklaven konnten, wenn ich mich recht erinnere, nach römischem Recht allerdings sehr wohl Rechtssubjekte sein und auch persönliches Eigentum erwerben. Wie deutsche Wehrpflichtige waren sie Rechtssubjekte zweiter Klasse (vgl. Art 17 a GG).

In diesem Zusammenhang würde ich auch nicht faschistoid verwenden. Allerdings verwenden das ohnehin nur wenieg Leute in Deutschland korrekt für italienisches Wirtschaftssystem samt Gesellschaftsorganisation. Was die Linken populistisch nutzen, kann man anderen nicht verwehren. Schlag sie mit ihren eigenen Waffen.

Anonymous said...

Theodor Heuss nannte die Wehrpflicht "das legitime Kind der Demokratie"! Wer gegen die Wehrpflicht hetzt ist ein Verfassungsfeind!!!

Dominik Hennig said...

Theodor Heuss nannte die Wehrpflicht "das legitime Kind der Demokratie"! Wer gegen die Wehrpflicht hetzt ist ein Verfassungsfeind!!!

Eingeführt hat sie Hitler - für dessen Ermächtigungsgesetz übrigens Papa Heuss - der Ziehsohn des Erfinders des "Nationalen Sozialismus" Friedrich Naumann - anno '33 gestimmt hat! ;-P

Verfassungsfeind ist übrigens auch, wer Angriffskriege führt! Also die etablierten Musterdemokraten!

Dirk said...

Theodor Heuss nannte die Wehrpflicht "das legitime Kind der Demokratie"! Wer gegen die Wehrpflicht hetzt ist ein Verfassungsfeind!!!

Pff, war man dann auch Verfassungsfeind, wenn man für die Wehrpflicht eintrat, bevor das GG entsprechend ergänzt hat?

BTW: ""Drei Ausrufezeichen", fuhr er fort und schüttelte den Kopf.
"Sicheres Zeichen für einen kranken Geist.", von TP in Faust/Eric.

Michel said...

"Theodor Heuss nannte die Wehrpflicht "das legitime Kind der Demokratie"! Wer gegen die Wehrpflicht hetzt ist ein Verfassungsfeind!!!"

Schon peinlich wie manche den Geschichtsverdrehern jedes Wort glauben.

Seb said...

Ich finde diese häufig zu beobachtende Neigung extrem bemerkenswert, die Diskussion darauf zu verschieben, ob die negativ konnotierten Bezeichnungen auch exakt richtig gewählt sind, mit denen widerliche Untaten status-quo-geschützter Gangster bezeichnet werden. Worüber sollten wir uns wohl eher aufregen - über die Wehrpflicht, oder über die Bezeichnung der Wehrpflicht als Sklaverei? Ich meine, wer letzteres wählt, hat guten Grund, sich um sein Empathievermögen (anderen und auch sich selbst gegenüber) Sorgen zu machen.

Dirk said...

Seb,

Wehrdienst ist leider positiv konnotiert. Nur durch solche plastischen, vielleicht manchmal unpassenden Vergleiche, kann man das ändern. Oder vergleiche umgekehrt, wie man statt von Nationalsozialismus von Nazismus und meist noch eher (so wie DDH) von Faschismus spricht, nämlich um Sozialismus nicht zu beflecken, vgl. http://www.gkpn.de/liberal2.htm unter 6.2.

Sprache ist mächtig und jede PC behindert das Erkennen von Wahrheit. DDH greift diese PC an, indem er sie gegen sie selbst wendet. Die Bewahrer der PC sind da natürlich angepisst.

Seb said...

Das seh ich auch so. Und genau in dieser Fokussierung auf die Bewahrung der PC sehe ich eben einen Abwehrmechanismus am Werk (Verschiebung).

Die Konnotation von Worten ist in der Tat wichtig, und ich denke auch, dass es sehr wichtig ist, hartnäckig darauf aufmerksam zu machen, was sich hinter den Euphemismen verbirgt.

Ich meine, dass man viele dieser PC-wahrenden Reaktionen übersetzen kann mit "He, stülp gefälligst sofort wieder den konventionellen Euphemismus über die Sache drüber!"

Chili said...

"Und, schmink Dir eine Hoffnung ab: Es wird niemals einen *libertären* Sklavenaufstand geben."

Ich denke, das ist auch gar nicht nötig. Es reicht, wenn alle, die sonst arbeiten und Steuern zahlen, einfach zu Hause bleiben.

Das hat zwar nichts mit der Wehrpflicht zu tun, ich wollte nur darauf hinweisen, dass man ganz und gar nicht in Richtung Revolution denken muss (und auch nicht sollte).

Dominik Hennig said...

Der erzliberale Standpunkt zu Rüstung, Krieg und Wehrdienst