Saturday, September 29, 2007

Wider die verfolgende Unschuld!

"Ich weiß wie die Menschen in Mügeln sich fühlen, es gab nämlich keine Hetzjagd in Mügeln sondern eine Hetzjagd auf Mügeln und die Mügelner."

Georg Milbradt, CDU-Ministerpräsident des Freistaates Sachsen


In recht(slibertär)en und vulgär-neokonservativen Kreisen gehören solcherlei wehleidige Jeremiaden über die vermeintlichen Pressionen der Political Correctness und die demagogische Vertauschung von Opfern und Tätern, wie es Milbradt hier in geradezu exemplarischer Rabulistik vorexerziert, längst zum verpflichtend guten Ton. Auch Doofstellen ist eine beliebte Strategie im spießbürgerlichen Milieu der "kulturellen Mehrheit", wenn man es beim handfesten und nicht selten handgreiflichen Minderheitenbashing (wie in Mügeln) mal wieder gar zu dolle getrieben hat, dabei erwischt wurde und nun in Erklärungsnöte gerät.

Darum ist es überaus verdienstvoll von Christian Hoffmann und Matt Jenny, es auf paxx.zine in ihrem brillanten Essay "Ein Lob der Political Correctness" unternommen zu haben, einmal aus konsequent freiheitlicher Perspektive gegen den Strich zu bürsten. Das kompromißlose Eintreten für die Rechte und die Würde von Minderheiten steht veritablen Liberalen allemal besser zu Gesicht, als sich hinter Vorurteilen zu verschanzen und in Schmoll- und Schmuddelecken heimisch einzurichten. Es ist wirklich an der Zeit, der Political Correctness als einer vielschichtigen und primär zivilgesellschaftlichen kulturellen Bewegung mit intellektueller Redlichkeit zu begegnen und letztlich ihre im Kern liberalen Intentionen zu beleuchten, wie das die beiden Autoren getan haben. Denn was sich hinter dem Signet "PC" verbirgt, das sind schlicht jene unverzichtbaren Konventionen und Regeln für ein friedliches und gedeihliches Zusammenleben in einer Gesellschaft freier Bürger, wie sie der klassische Liberalismus immer ausdrücklich bejaht hat. Das enthebt uns freilich nicht von der Verpflichtung, staatliche Interventionen in den Meinungsmarkt mit aller gebotenen Deutlichkeit und Schärfe zurückzuweisen.

Um es mit Lord Acton zu sagen: "Der verläßlichste Prüfstein der Freiheit eines Landes ist das Maß an Sicherheit, dessen sich Minderheiten erfreuen."

Diese Freiheit der Minderheiten und damit die Freiheit aller zu verteidigen ist das Gebot eines progressiven, aufgeklärten und, wenn man so will, "antipolitisch korrekten" Liberalismus für das 21. Jahrhundert!

2 comments:

Anonymous said...

Der langjährige NZZ-Journalist Max Frenkel hat in seinem im Verlag der Vontobel-Stiftung erschienenen und leider vergriffenen Buch mit Titel "Äxgüsi" und Untertitel "ABC des politisch inkorrekten Schweizers" die political correctness von einer anderen Seite her beleuchtet, als dies Hoffmann und Jenny tun. Er trifft IMHO den Nagel weit besser auf den Kopf. Ich zitiere aus der Einleitung:

"Politische Korrektheit ist für jene, die sie praktizieren, und so sie nicht einfach Modisches nachplappern, immer eine ganz bestimmte Form des Verantwortungsbewusstseins. Sie ist eine ideologische Position: Ein ethischer Standard, der in der Sicht der ihn Setzenden für alle zu gelten hat. Wer dieses säkulare Evangelium predigt, zeigt damit zugleich die eigene moralische Üerlegenheit. Politische Korrektheit hat eben weniger mit dem zu tun, was man tut, als mit jenem, das man demonstrativ nicht tut, von Negern zu sprechen zum Beispiel oder von Mohrenköpfen. ... Für sie [die politisch Unkorrekten] ist politische Korrektheit eine Form der Heuchelei, eine Haltung, die mit ihrer Wortakrobatik gerade auch noch betont, dass Neger, Zigeuner, Alte und so weiter etwas Negatives sind, und so das unterstreicht, was sie zu überwinden vorgibt."

ECS said...

Sehr interessanter n-tv.de-Beitrag. Danke für den Link!