Morgen abend werden erwartungsgemäß wieder im Kaukasus und auf dem Balkan haarsträubende "Stimmpäckli" gebildet und zu einem völlig absurden Ergebnis dieser einstmals so ehrwürdigen Institution "Grand Prix" führen. Damit rechnet man.
Worauf der resignativ gestimmte, leidgeprüfte, und spätestens seit "Lordi" dem Fatalismus verfallene ESC-Veteran hingegen nicht mehr zu hoffen wagte, sind zwei außergewöhnliche junge Sänger, die diesem Chanson-Wettbewerb etwas von seinem alten Glanz zurückgeben. Der eine kommt von der nördlichen Flanke des Eurovisions-Sendegebiets, der andere markiert geographisch den südlichsten Zipfel des kulturellen (nicht geographischen!) Europas. Und beide sind mit einem Attribut zu versehen, das einem eingedenk der zurückliegenden 15 Jahre beim Song-Contest nicht mehr auf Anhieb in den Sinn kommt: anspruchsvoll.
Die Rede ist von Didrik Solli-Tangen aus Norwegen und von Harel Skaat aus Israel. Mit Didrik schickt Norwegen einen klassisch ausgebildeten Opernsänger ins Rennen, der mit kräftiger Tenorstimme brilliert, zuweilen auch schon mit José Carreras auf der Bühne stand und der ebenso wie sein Freund, der ebenfalls hochtalentierte Vorjahressieger Alexander Rybak, am renommierten Osloer Barratt Due Musikinstitut absolvierte. Bei den obligatorischen Botschaftsempfängen in der vergangenen Woche überzeugte Didrik ebenso mit seiner grandiosen Pop-Ballade "My Heart Is Yours" als auch mit Ausflügen ins ernste Fach wie etwa dem Kunstlied "Zueignung" von Richard Strauß, was ihm überwältigende Begeisterung des Publikums eintrug.
Israels Harel ist, obgleich er in einer DSDS vergleichbaren Castingshow entdeckt wurde, einer der erfolgreichsten, beliebtesten und mit nationalen Musik-Auszeichnungen überhäuftesten Sänger und Musiker seines Landes. Sein Repertoire ist ebenfalls sehr vielseitig, auch als Interpret großer Chansons (etwa von Jacques Brel) hat er sich einen Namen gemacht. Seine opulent arrangierte Ballade "Milim" (englisch: "Words") besticht gerade durch ihre tiefgründige Sentimentalität. Und nein: es geht dankenswerter Weise bei diesem sehr landestypischen, durchgängig hebräisch vorgetragenen und somit auf Anbiederung verzichtenden Chanson nicht um Nahost-Politik im weitesten Sinne, sondern um enttäuschte, verletzte Gefühle eines unglücklich Verliebten.
Meine ESC-Empfehlungen für alle, die am großen Finalabend am Samstag (ab 21 Uhr "live" in der ARD) wirklich mal wieder große, gefühlvolle Balladen und vor allem richtigen Gesang per Televoting zu honorieren geneigt sind, lauten deshalb ganz klar: Startnummer 3 und Startnummer 24!
Startnummer 3: Didrik Solli-Tangen, Norwegen, "My Heart Is Yours":
Startnummer 24: Harel Skaat, Israel, "Milim":
Friday, May 28, 2010
Gebt dem Eurovision Song Contest seine Würde zurück!
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9 comments:
Sind ja beides hübsche Jungs, lieber Dominik, und singen können sie unbestritten auch. Aber mir persönlich sind sie alle beide zu glatt. Ich halte diesmal Belgien die Daumen mit "Me and my guitar". :-)
Die beiden sehen sich als Konkurrenten:
http://www.f-b.no/nyheter/innenriks/israel-er-min-hardeste-konkurrent-1.5332516
und was meinst du zu lena meyer-landrut? holt sie den pott heim?
Mir gefällt ja dieser sehr melancholische Song von Israel, aber ob er in das Format dieses Grand Prix so wirklich reinpasst hab ich meine Zweifel.
"Bei den Männern sind der stimmgewaltige Norweger Didrik Solli-Tangen siegfähig, der vom gleichen Konservatorium wie Vorjahressieger Alexander Rybak kommt. Beeindruckend stark singt Harel Skaat aus Israel, ein junger Mann, der mit der Castingshow "A Star Is Born" in Israel berühmt wurde. Sein Lied "Milim" erinnert in Grundzügen an Jacques Brels berühmtes Chanson "Ne me quitte pas". Harel Skaats Auftritt beim Halbfinale ließ ahnen, dass er auf den vorderen Plätzen landen wird."
http://www.welt.de/die-welt/vermischtes/article7831862/Schicksal-Kitsch-Melodram.html
Stimme Elisa da zu. Die beiden sind zu glatt und obwohl Belgien ein ähnlich langsames Lied hatte, fand ich's auch besser^^
Mich erinnert "Milim" aber nicht nur ein klein wenig an "Ne me quitte pas". Mir kam das mehr so vor wie - Hey, das hab ich letzte Woche doch selber schon gespielt... -.
Es ist nicht nah genug dran, um als Kopie gelten zu können, hält aber m.E. nicht genug Abstand.
So oder so fand ich das Stück nicht gut.
BTW: Lordi war mutig. Sie haben was Neues versucht und wurden belohnt. Respekt.
http://bengayeuropeen.canalblog.com/archives/2010/06/02/18102483.html
Apprreciate you blogging this
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