Tuesday, October 17, 2006

Staatlich verordnetes Geschichtsbild II

Was wäre, wenn Frankreich an die Türkei grenzen würde? Der unermüdliche Freiheitskämpfer Martin S. Hagen stellt dieses durchaus interessante Gedankenexperiment an im Hinblick auf die geradezu haarsträubenden Gesinnungs-TÜVs, die beide "laizistischen" Staaten ihren Bürgern derzeit zumuten. Auch andere Staaten sind inzwischen von dem - ursprünglich bundesdeutschen - verfassungspolitischen Virus erfaßt, nahezu jedes Rechtsgut, "und sei es noch so unbedeutend" (so Prof. Roman Herzog im GG-Kommentar Maunz-Dürig!) stärker als die Meinungsäußerungsfreiheit zu gewichten. Selbst in der "altfreien" Schweiz gibt es längst ein - reden wir nicht drumherum: totalitäres - "Anti-Rassismus-Gesetz" über dessen Einhaltung der camouflage-freisinnige Westentaschen-Torquemada Prof. Georg Kreis wacht. Und dessen ersatzlose Streichung sich selbst der sonst so wackere Streiter pro libertate Christoph Blocher nicht zu fordern traut. Bald wird die Türkei also zum "Vereinten Europa" gehören, Frankreich ist sogar Gründungsmitglied der Europäischen Gemeinschaften. In diesem Europa wird dann ein geistiges Klima vorherrschen, als habe Voltaire nie gelebt.

3 comments:

Herfried said...

Andreas Unterberger wieder einmal mit einem sehr vernünftigen Kommentar in seinem Tagebuch. De la Boétie läßt grüßen:


Zitat:
Denken und Arbeiten
Von Andreas Unterberger

"Die Türken haben an den Armeniern Völkermord begangen." Dieser Satz bringt in der Türkei ein Strafverfahren ein. "Die Türken haben an den Armeniern keinen Völkermord begangen." Dieser Satz bringt in Frankreich ein Strafverfahren ein.
Zusammen mit all den täglich mehr werdenden Meinungen und Ausdrücken, die uns die Diktatur der Politischen Korrektheit verbietet, ergibt das ein ziemlich bedrückendes Bild vom Stand der Grundrechte im 21. Jahrhundert. Die Meinungsfreiheit (die natürlich immer auch die Freiheit zu falschen oder provokativen Ansichten einschließen muss, sonst wäre sie ja keine) war die wichtigste Forderung der österreichischen Revolution von 1848. Die Franzosen haben sogar mehrfach dafür revoltiert.
Jetzt aber wird die Meinungsfreiheit Schritt für Schritt wieder entsorgt. Und den Bürgern ist es einfach wurscht. Die türkischen wie die französischen Denkverbote sind ja sogar selbst populistische Konzessionen an Volkes Stimme.

schwul-und-liberal said...

Hab auch noch einen:

"In einer freien Gesellschaft, in einem Rechtsstaat, werden falsche Behauptungen durch Argumente widerlegt, aber ihren Anhängern bleibt es erlaubt, sie zu behaupten. Das Verbieten von falschen Behauptungen, von Dummheiten oder Lügen, ist ein totalitärer Zug."

Gerard Radnitzky

Herfried said...

„Die Rassismus-Strafnorm mit dem Völkermord-Paragraphen brachte einen Tabubruch in zweierlei Hinsicht. Zum einen musste die Justiz, die bis dahin politische Aspekte tunlichst gemieden hatte, nun plötzlich die mehr oder minder verwerfliche Gesinnung von Angeklagten ausforschen – denn nur so kann erhoben werden, ob rassistische Motive vorliegen. Vor allem aber griff die Justiz nun in die Geschichtsschreibung ein und begab sich damit in einen unlösbaren Widerspruch. Das Urteil eines Historikers bezieht sich immer nur auf den aktuellen Stand der Forschung und kann jederzeit von jedermann revidiert werden. Ein Gerichtsurteil dagegen hat allgemeingültig und abschliessend zu sein. Wenn die Richter nun bei der Beurteilung jedes Völkermordes zur höchsten und endgültigen Instanz erhoben wurden, wenn sie bestimmen, was wissenschaftlich zu gelten hat und was nicht, so bedeutet dies im Endeffekt einen Rückfall in die mittelalterliche Scholastik: Das Prinzip des freien Wettbewerbs um das bessere Argument wird durch das Dogma ersetzt.“

„Vor drei Jahren brachte die Schweiz den italienischen Justizminister in Verlegenheit, weil sie die Auslieferung der mittlerweile verstorbenen islamkritischen Star-Reporterin Oriana Fallaci verlangte. Neue Klagen und Staatskrisen sind jederzeit möglich: die Ausrottung der Indianer in Amerika, das gezielte Aushungern ganzer Völker in der Sowjetunion, China und die Massensterilisationen im Tibet, Hiroshima und Dresden. Die vernünftigste, politisch aber kaum durchsetzbare Lösung wäre die ersatzlose Streichung dieses unsinnigen Gesetzes.“

Alex Baur in „Angstgeborene Tugendparagraphen“, Weltwoche Nr. 41.06, S. 38 f.