Friday, May 13, 2005

Das Dilemma "liberaler" Parteien

Ist es nicht merkwürdig, daß die uns bekannten "liberalen Parteien" selbst bei großzügiger Auslegung mit der Idee des klassischen Liberalismus oft nur sehr wenig zu tun haben? Zumeist vermitteln sie in der Öffentlichkeit den Eindruck von Beliebigkeit und Prinzipienfreiheit. Das Personal, in aller Regel illiterat und an Grundsatzfragen desinteressiert, bildet sich auf seinen "Pragmatismus" auch noch etwas ein.

Bei Roland Baader fand ich für dieses Phänomen immerhin eine plausible Erklärung:

«Der politische Liberalismus hat - leider - mit dem, was die Ökonomen unter (klassischem) Liberalismus verstehen, wenig zu tun. Die klassisch-liberalen Prinzipien - vor allem Herrschaft des Gesetzes (für alle gleichermaßen gültige, willkürfreie Regeln = Rechtsstaat), Meinungsfreiheit und Schutz der Person und ihres Eigentums - wurden am ehesten noch von der älteren Whig-Partei in England vertreten, in etwa ab der Glorreichen Revolution von 1688 bis zur Zeit der Französischen Revolution. In Deutschland hat es eine liberale Partei in besagtem Sinne nur kurze Zeit gegeben. Deren Blüte beschränkte sich auf das Jahrzehnt zwischen 1860 und 1870. Keine der späteren "liberalen" Parteien hat dieses Adjektiv zu Recht getragen. Das hat seine Ursachen nicht nur in spezifischen historischen Entwicklungen, sondern ist auch systemlogisch begründet zu sehen. Liberalismus und Politik sind einander widersprechende Phänomene. Entweder ein Land ist liberal - dann spielt Politik eine geringe Rolle, oder es ist weniger liberal oder illiberal, weil Politik eine größere Rolle spielt. Dominiert die Politik das ganze Leben der Menschen, dann unterliegt das betreffende Land einem totalitären Regime.
Eine liberale Partei kann es deshalb im strengen Sinne gar nicht geben, es sei denn, diese Partei hätte ein ernsthaft verfolgtes Programm, Politik - und damit auch sich selbst - abzuschaffen. Probleme lösen können nur Individuen und die von ihnen geschaffenen Unternehmen und Institutionen selber, und der Markt ist der beste aller Problemlösungsmechanismen, der ihnen dabei helfen kann, und zwar unter vielem anderem auch deshalb, weil er der einzige Ort ist, wo die nationale und internationale Arbeitsteilung in optimaler Weise stattfinden kann. Politik, das heißt Regierungen, Parteien, Ämter und Funktionäre kann hierbei nur hinderlich sein - also Probleme schaffen statt lösen. Wird der von der Politik erzeugte Problemdruck unerträglich, schreitet sie gelegentlich zu "Reformen", die jedoch das Elend nicht verringern, sondern nur verlagern oder verschleiern und in aller Regel noch größer machen. Liberale Parteien pflegen deshalb überall auf der Welt einen Rumpf- oder Scheinliberalismus. Auch die amerikanischen Liberals sind Sozialdemokraten. Vor allem die beiden Weltkriege mit ihren totalitären und kollektivistischen Schüben und einer ungeheuren Aufwertung und Aufblähung der Staatsmacht haben dem politischen Liberalismus Deutschlands und Europas die entscheidenden Todesstöße versetzt. Das 20. Jahrhundert war ein sozialistisches und sozialdemokratisches Jahrhundert.

Es ist mehr als bezeichnend für den Zustand der Freiheitsidee im Deutschland des [...] 21. Jahrhunderts, daß es der Arbeit eines amerikanischen Historikers bedurfte, um den interessierten Bundesbürgern, die es hier und da noch geben mag, wenigstens die kurze Geschichte des deutschen (politischen) Liberalismus in klarer und ideologisch unverfälschter Weise darzulegen. Es ist ein literarischer Glücksfall, daß Ralph Raico, Professor für europäische Geschichte an der State University of New York und exzellenter Deutschland-Kenner, die weit verbreiteten Fehlinterpretationen, die dieser geistes- und politikgeschichtlichen Episode hierzulande ein Jahrhundert lang widerfahren sind, einer gründlichen Revision unterzogen hat.»
(Roland Baader: «Das alte Lied mit neuen Wörtern: Der nicht marxistische Antiliberalismus» in «EigenStändig: Die Schweiz - ein Sonderfall»)

Siehe Ralph Raico: «Die Partei der Freiheit: Studien zur Geschichte des deutschen Liberalismus», Stuttgart 1999

1 comment:

Simon Kromer said...

das ist eben das Problem, dass jede Partei und jede Regierung davon lebt, Steuerzahler zu enteignen und eine liberale Partei ist darum ein Widerspruch in sich. Woher sollen da Prinzipien kommen, wenn die eigene Existenz schon dagegen verstößt?