Man darf es füglich bezweifeln.
Hans-Hermann Hoppe etwa trifft in der September-Ausgabe der
eigentümlich frei zu "Verfassungsschutz" und zur von dieser fragwürdigen Behörde geschützten Verfassung ein paar unabweisbare Feststellungen:
Was zunächst den Verfassungsschutz beziehungsweise den Staatsschutz angeht, so habe ich noch von keiner derartigen Behörde gehört, gleich wo auf der Welt, die in dieser ihrer Tätigkeit nicht regelmäßig von Mitteln Gebrauch machte, die man im normalen Leben als kriminell bezeichnen würde. Die deutsche Verfassungsschutzbehörde unterscheidet sich in dieser Hinsicht nicht grundsätzlich von der viel bescholtenen Stasi.
Und allein diese Tatsache wirft doch schon ein bezeichnendes Licht auf die Qualität der zu schützenden Einrichtung.
Bezüglich der deutschen Verfassung beziehungsweise des Grundgesetzes und des deutschen Verfassungsgerichts erhebt sich unmittelbar die Frage:
Worin, vom Standpunkt eines Wissenschaftlers und zumal eines liberalen Wissenschaftlers, besteht die angebliche besondere Würde dieses Dokuments beziehungsweise dieser Institution? Darin, dass diese Verfassung von drei militärischen Besatzungsmächten genehmigt und für die gesamte Bevölkerung der besetzten Gebiete als verbindlich erklärt wurde? Darin, dass niemand aus der betroffenen Bevölkerung dieser Verfassung je zugestimmt hat, abgesehen von ein paar Dutzend offiziell zugelassener sogenannter Volksvertreter (und auch die nur ein einziges Mal und nicht einstimmig)? Darin, dass diese Verfassung die Einrichtung einer aus allgemeinen, geheimen Wahlen hervorgehenden sogenannten repräsentativen parlamentarischen Demokratie und einer mehrheitlich gewählten Staatsregierung verfügt, das heißt also: einer Institution, die jedenfalls bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts von nahezu allen politischen Philosophen als Pöbelherrschaft erachtet und verachtet wurde? Darin, dass Parlament und Regierung die Befugnis besitzen, Steuern zu erheben und Enteignungen vorzunehmen, um auf diese Weise die eigene Besoldung und Finanzierung ihrer Aktivitäten sicherzustellen, das heißt also: der goldenen Regel sowie dem achten und zehnten biblischen Gebot zuwiderhandeln dürfen? Darin, dass man die Befugnis besitzt, den eigenen Aktivitätsbereich und den entsprechenden Finanzbedarf per Gesetzgebung oder Verordnung immer weiter ausdehnen zu dürfen? Darin, dass man die Meinungsfreiheit garantiert, außer zu solchen Themen, hinsichtlich deren man sie verbietet? Darin, dass sich Parlament und Regierung hinsichtlich ihrer Tätigkeit der Kontrolle durch ein Gericht unterwerfen, dessen Richter man selbst aufgrund ihrer Parteilichkeit, in einem zwischen den diversen politischen Parteien ausgeklüngelten Proporzverfahren, berufen hat und deren Gehalt, wie das eigene, aus Steuermitteln stammt und über deren Allokation Parlament und Regierung entscheiden? Oder darin, dass es im Zeitverlauf Dutzende von Parlament oder Regierung beantragte und von diesem Gericht durchgewinkte Verfassungsänderungen gegeben hat, sodass heute selbst der Klimaschutz zum Staatsziel erhoben worden ist und es auch als verfassungskonform gilt, gesunde Menschen, also Personen ohne jede Krankheitssymptome, nur aufgrund fragwürdiger, in prognostischer Hinsicht bezüglich Krankheit und Krankheitsverlauf praktisch wertloser Tests massenhaft als potenzielle Gesundheitsgefahren beziehungsweise -gefährder buchstäblich einsperren zu dürfen?
Halten wir fest: In der Verfassung der DDR stand mit der Einschränkung „den Grundsätzen dieser Verfassung gemäß“ so ziemlich dasselbe wie in Artikel 5 unseres Grundgesetzes, nämlich im Klartext: Du darfst sagen, was du willst, solange es dem Regime in den Kram passt.
Ein Stück weit entlarvend ist allerdings, dass die DDR ihre Version von „Meinungsfreiheit“ erst in Artikel 27 gepackt hat. Im Grundgesetz der BRD steht sie immerhin in Artikel 5, also deutlich weiter vorn. Dabei ist die Meinungsfreiheit die elementarste Freiheit überhaupt, ohne die alle anderen Freiheiten keinen Wert haben, weshalb sie eigentlich in Artikel 1 gehören müsste. Und zwar ohne jedwede Beschränkung.
Aber welches Regime ist schon so leichtsinnig, seinem Volk gleich im ersten Artikel der Verfassung uneingeschränkte Meinungsfreiheit zu garantieren?
Oh, sorry, doch, so etwas gibt es tatsächlich! Und zwar in der Verfassung der Vereinigten Staaten von Amerika. Der erste Verfassungszusatz, von dem ich verkürzt nur den Teil wiedergebe, der sich auf die Meinungsfreiheit bezieht, lautet wie folgt: „Der Kongress (das ist die gesetzgebende Institution in den USA) darf kein Gesetz erlassen, das die Rede- und Pressefreiheit einschränkt.“ Punkt.
Zusammenfassend stellen wir fest, dass unsere Verfassung sagt: „Diese Rechte finden ihre Schranken in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze.“ Und in den USA hingegen heißt es: „Es darf kein Gesetz erlassen werden, das die Meinungsfreiheit einschränkt.“
In den späten Jahren der Ära Merkel wurden dann auch noch die Geheimdienste auf Linie gebracht. Ausgewechselt wurden die Chefs des BND, des Militärischen Abschirmdienstes und des Bundesverfassungsschutzes. Während alle Staaten Geheimdienste unterhalten, handelt es sich beim Verfassungsschutz um eine deutsche Besonderheit. Etwas Vergleichbares existiert in keinem anderen westlichen Land. Er geht zurück auf ein Schreiben der drei Militärgouverneure der westlichen Besatzungszonen vom 14. April 1949 an den Parlamentarischen Rat. Darin wurden die Aufgaben des künftigen Dienstes wie folgt beschrieben: „Der Bundesregierung wird ebenfalls gestattet, eine Stelle zur Sammlung und Verbreitung von Auskünften über umstürzlerische, gegen die Bundesregierung gerichtete Tätigkeiten einzurichten. Diese Stelle soll keine Polizeibefugnisse haben.“ Letzteres gilt bis heute: Der Verfassungsschutz darf niemanden festnehmen und einsperren.
Dass Pläne und Vorbereitungen für einen Umsturz aufgedeckt und verhindert werden sollen, ist gängige Praxis in allen Regimen. Es gehört zu den Aufgaben der politischen Polizei, also des Staatsschutzes, der auch in der Bundesrepublik existiert. Der Verfassungsschutz ging jedoch im Laufe der Zeit immer weiter über das Mandat der Militärgouverneure hinaus. Er begann, jährliche Berichte zu veröffentlichen – eigentlich paradox, weil die Tätigkeit eines Geheimdienstes definitionsgemäß geheim sein sollte. Er begann, öffentlich zugängliche Meinungen aus Reden und Druckerzeugnissen zu bewerten, an denen nichts geheim war. Und er ließ sich schließlich von den herrschenden Parteien instrumentalisieren, selbstverständlich ohne diese jemals zu überwachen, obwohl jeder Machthaber ungleich mehr Gelegenheit hat, die Verfassung zu brechen, als eine Oppositionspartei.
So rückte Thomas Haldenwang nach einer typischen Beamtenkarriere beim Innenministerium und ab 2009 beim Bundesamt für Verfassungsschutz am 15. November 2018 an die Spitze der Behörde, nachdem die SPD die Entlassung von Hans-Georg Maaßen durchgesetzt hatte. Zur Person Haldenwang, zu seinem Apparat und generell zur Umwandlung der Kulturnation Deutschland in einen multikulturellen Ideologiestaat hat jetzt Professor Martin Wagener ein enorm materialreiches Standardwerk vorgelegt („Kulturkampf um das Volk – Der Verfassungsschutz und die nationale Identität der Deutschen“, Olzog Edition/Lau Verlag, 509 Seiten, 26 Euro). Wagener ist Professor für Politikwissenschaft am Fachbereich Nachrichtendienste der Hochschule des Bundes für öffentliche Verwaltung. Das erklärt den Vorzug seiner Arbeit gegenüber anderen Publikationen: Er weiß, wovon er redet, alles ist belegt und zitierbar. Wer das politische System verstehen will, in dem wir leben, liest dieses aufklärerische Buch mit Gewinn.
Wagener kann nachweisen, dass der neue Verfassungsschutzpräsident den eigentlichen Auftrag seiner Behörde – die Bekämpfung des nachweisbaren Extremismus – weit überschreitet; dass er Deutungsrahmen, Narrativ und Assoziationen des Parteienkartells übernimmt; wie er sich in den „Kampf gegen Rechts“ einreiht und selbst „Europa-Skepsis“ als typisch für Extremisten einordnet. Er benutzt die Begriffe „rechts“ und „rechtsextrem“ synonym, so als ob die rechte Seite im Parlament leer zu bleiben habe. Er hält es für eine Verschwörungstheorie, dass das Deutsche Reich 1945 nicht untergegangen sei – dabei ist die Bundesrepublik laut Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes mit dem Reich als Völkerrechtssubjekt identisch. Und er wirft den „Rechtsextremisten“ vor, den 8. Mai 1945 nicht als „Tag der Befreiung“ zu bezeichnen – eine Wortwahl, die auch von Konrad Adenauer und den damals maßgebenden Politikern vermieden wurde. Am 15. Januar 2019 erklärte Haldenwang die AfD zum „Prüffall“, was ihm am 26. Februar 2019 vom Verwaltungsgericht Köln untersagt wurde – Prüffall und Verdachtsfall als Surrogate für ein, wie er weiß, nicht durchsetzbares Parteiverbot, jedoch mit abschreckender Wirkung auf ängstliche Wähler.
Bestellen kann man diese auch für das AfD-Umfeld sehr lehrreiche ef-Ausgabe
hier.