Monday, October 20, 2014

Ein nichtabgedruckter Lesebrief an die Dorstener Zeitung

Leserbrief zu "Tobias Voss verpasst den WM-Titel", Dorstener Zeitung vom 20.10.2014


Fragwürdige Punktrichterentscheidungen

Sehr geehrte Damen und Herren,

als trotz Bahnstreiks von weit her (Stuttgart) eigens zur Dorstener Fight Night angereister Zuschauer, für deren verdienstvolle Ausrichtung übrigens dem Veranstalter Workers Hall großer Dank und Respekt zu zollen ist, komme ich leider nicht umhin, ein paar kritische Anmerkungen zum Ausgang des Abends zu machen, der mich dann doch mit einem etwas flauen Gefühl im Magen zurückließ. Sowohl nach meiner eigenen Wahrnehmung (ich saß unmittelbar am Ring, also hatte eine ähnliche Perspektive wie die Punktrichter) als auch bestärkt durch vielfältige Gespräche mit fachkundigen Beobachtern (darunter langjährige aktive Kampfsportler) im Anschluß an die Veranstaltung drängt sich mir der Eindruck auf, daß sowohl beim Kampf von Shkelcim Ademaj gegen Marcel Hesker als auch beim WM-Fight von Ismail el Brouzini gegen Tobias Voss Urteile der Ring- bzw. Punktrichter getroffen worden sind, die jede Menge Fragen und Ungereimtheiten aufwerfen. Daß Marcel Hesker durch den Ringrichter ausgezählt wurde obwohl dieser längst kampfbereit auf beiden Beinen stand, ist eine so eklatante Fehlentscheidung, daß es schon ein gerüttelt Maß an Dreistigkeit bräuchte, diese auch nur im Nachhinein zu rechtfertigen! Ebenfalls einen Hautgout hat die schwerlich nachvollziehbare (und ja keineswegs einstimmige!) Punktrichterentscheidung im Falle Voss, der in vier der fünf Runden erkennbar dominierte, dessen Gegner während des Kampfes mehrfach den Boden aufsuchte und der zudem so lädiert war, daß er nach dem Kampf auch noch ins Krankenhaus gefahren werden mußte. Ein Schlag Brouzinis auf den Hinterkopf von Tobias Voss wurde ebenfalls nicht gerügt (laut Regelwerk wäre hierfür mindestens eine Verwarnung einschlägig). In beiden Kämpfen war das Urteilsvermögen der vorgeblich "Unparteiischen" gewissen Eintrübungen ausgesetzt, die sich günstigstenfalls auf Überforderung zurückführen lassen.
Brisant oder doch zumindest bemerkenswert an diesen Vorgängen scheint mir zu sein, daß ausgerechnet die beiden fragwürdigsten, vom Publikum nachvollziehbar mit einhelliger Mißbilligung quittierten Jury-Urteile des Abends sich dramatisch zum Nachteil der beiden Zugpferde und Publikumslieblinge von Workers Hall auswirkten. Hier wird man an den Leitspruch des englischen Hosenbandordens - "Honi soit qui mal y pense!" ("Ein Schelm wer Übles dabei denkt!")  - unweigerlich erinnert. Auch wenn mir für meinen subjektiven Befund keine gerichtsfesten Beweise vorliegen, so läge es nach meinem Dafürhalten doch fernab der Lebenswirklichkeit zu behaupten, an diesem Abend sei bei den letzten beiden Kämpfen alles mit rechten Dingen zugegangen.

Mit freundlichen Grüßen

Dietmar-Dominik Hennig
---

DDH am Ring

Tobias Voss, Copyright: jps Pictures 



12 comments:

Champion87 said...

Treffender Kommentar, danke!

Alex Schmidt said...

Oh man, da werden ja Wörter benutzt, da würde ich eher an etwas zu Essen denken !
Aber sehr geil und absolut richtig!!!!
Und der Leserbrief wird nicht gedruckt, habe ich das richtig verstanden?

Anonymous said...

Absolut richtig entschieden von der Jury. Schau Dir die Kämpfe nochmal an. Und versuch es mal mit einem Kampfrichter- Lehrgang, dann darfst Du dich mit etwas Know how dazu äußern. Sports frei

Anonymous said...

Kann mich dem Redner vor mir nur anschließen. Kampfrichter- und Punktrichterlehrgang machen, dann urteilen.

Marcel war bei der 8 Sekunde immer noch unten. Auch schon zu sehen auf den Bilder aus der Zeitung. Da sieht man, dass der Kampfrichter bereits bis 8 gezählt hatte und Marcel immer noch am Boden war.

Voss hat eine enttäuschende Leistung gebracht im Gegensatz zu den Kämpfen, die er früher gemacht hat. Außerdem entscheidet nicht, ob der Gegner im Krankenhaus landet, dass er automatisch verloren hat. Das ist nun wirklich kein Indikator. Voss hat den ganzen Kampf über viel zu wenig gemacht und lag nun mal auch am Boden. Zu dem ist es nicht die feine Art nach dem Gong noch mehrmals auf den Gegner draufzuschlagen. Nur ein paar Beispiele.

Der Leserkommentar wirkt als wäre er von jemanden geschrieben, der wenig Ahnung vom Kampfsport hat und ausnahmsweise mal auf einer Veranstaltung war.

Dominik Hennig said...

"Anonymous" kommentieren sagt eigentlich schon alles. Wer nicht mit offenem Visier zu kämpfen imstande ist dessen Argumente sind auch ein Non-Valeur. Soviel zum Thema "feine Art". Netter Versuch, meine Herren! ;-)

Wiesel said...

ein aus Marokko stammender Grieche ist mir unbekannt, den Wettaktivisten nicht. Das Kalb des Rindes, das im Stall der Rennpferde geboren wurde, bleibt ein Rind.
Für's nächste gilt entweder Kohle oder ko...

Anonymous said...

Was für ein unsäglicher Blog!

Dominik Hennig said...

"Wer etwas "unsäglich" findet, gibt zunächst einmal Auskunft über seinen Wortschatz." ~ Michael Klonovsky

Anonymous said...

Voss ist immer schon überschätzt worden! Der kann nix!

kno said...

Ich habe ebenfalls live die besagten Kämpfe verfolgt zum Kampf von Marcel so hatte der Ringrichter gerade die die 7 Angezeigt: zeitgleich meldete Marcel sich zurück zum Kampf.
Ich zitiere auch dem Regelwerk des IKBA
"-Der Referee sollte klar und deutlich von 1 bis 8, nicht zu schnell und nicht zu langsam, anzählen und dabei dem Angeschlagenen deutlich die Anzahlung mit den Fingern anzeigen."
Es geht also nicht um Sekunden sondern das der Ringrichter von 1 bis 8 anzählt und im diesem Fall hatte Marcel sich bei der 7 wieder kampfklar gemeldet.
Was insbesondere Brisant ist, da er ansonsten dominiert hat.

Was Tobi angeht hierzu hat DDH schon fast alles gesagt. Es wird wohl zutreffen was Anonymus (sein ihr 2 Personen oder eine!?) über Tobi sagt nicht seinen besten Kampf gehabt, dies haben auch viele aus seinem Umfeld bestätigt. Dies lag daran das er nun sich wieder auf das Thai-Boxen umstellen muss was man in den ersten Runden gemerkt hat, dort hat er fast nur seine Fäuste eingesetzt – aber dennoch dominiert.
Dennoch hat er einen Großteil des Kampfes dominieret hat (bis auf die 4. Runde – dafür war seine Gegner aber in der 5. Runde Chancenlos und wurde nur den Gong gerettet).
Das er zeitweise etwas müde wirkte, wurde dadurch ausgeglichen das sein Gegner auch nicht fitter war. Sein Gegner hat rum gehampelt und er beliebt standhaft, in den ersten Runden fiel sein Gegner ja ständig um...

Dominik Hennig said...

Vielleicht noch 3 Punkte, die an dieser Stelle einmal grundsätzlich angesprochen werden sollten.

1.) Wenn gesagt wird, die Jury seien ja nunmal Experten und die werden das schon richtig gesehen haben, kann ich nur die Hände über dem Kopf zusammenschlagen. Wenn man selbst physisch und geistig anwesend war, wenn man Augen und Ohren zu gebrauchen versteht, dann ist es für einen aufgeklärten und vernunftbegabten Menschen geradezu frevelhaft sein eigenes Urteilsvermögen abzugeben, zu delegieren an eine "höhere", vermeintlich mit Expertenwissen ausgestattete Instanz. Man sollte niemals seinen Sinnesorganen Wahrnehmungsverbot erteilen, und schon gar nicht aus falsch verstandener Rücksichtnahme auf Autoritäten. Das gilt für alle Lebensbereiche! Auch Richter können irren!

2.) Der Ringsprecher benutzte nach dem höchst umstrittenen Auszählen von Marcel Hesker das Bonmot "Sport ist Sport und Politik ist Politik" - wohl um die Gemüter zu beruhigen. Man kann diese Aussage allerdings auch anders verstehen. Anonymous hat ja recht, wenn er mir attestiert, nicht gerade der Crack in Sachen Kampfsport zu sein. Und wäre es an diesem Abend auch nur um Fragen des Sports gegangen, es wäre vermessen von mir, mich dazu zu exponieren. Doch es ist offenkundig, daß jedenfalls in den beiden letzten großen Kämpfen die Politik Einzug hielt, Sport mithin nicht mehr nur Sport war. Es ging um Macht, um Einfluß, um Rivalitäten AUSSERHALB des Rings zwischen Personen, die selbst nicht im Ring standen und hinter den Kulissen das große Rad drehen. Das ist überaus unerfreulich, aber insofern kann mir niemand verbieten, dazu in der mir eigenen Liebenswürdigkeit sehr pointiert Tacheles zu reden. Denn wenn es um Politik geht, dann ist fraglos das Metier berührt, in dem ich mir zutraue, etwas Substantielles zur Debatte beizusteuern! Diese an und für sich betrübliche Sphärenverschiebung geht ja nicht auf mein Konto, da müssen sich andere an die eigene Nase fassen!

3.) Bei aller gebotenen und in ihrer Schärfe dennoch angemessenen Kritik am Zustandekommen der Ergebnisse und der Art und Weise der Urteilsfindung darf unsere Kritik nicht überkippen in ein ungerechtes und unsportliches Bashing von Tobias' Gegner. Um es mal ganz deutlich zu sagen: Ismail El Brouzini hat sich als würdiger Gegner erwiesen, ist ein fairer Sportsmann, dem wir trotz allem die Freude über seinen Gürtel gönnen sollten. Er war nach Meinung vieler Auguren (mir eingeschlossen) technisch weniger gut als Tobi, aber unglaublich engagiert, hat mit Herzblut gekämpft, ging bis ans Äußerste und war im besten Sinne des Wortes unverwüstlich. Auch wenn ich ihn per Saldo nicht nach Punkten vorne sah - er hat einen großartigen Kampf geboten und eine knappe Kiste war es! Seine Offerte an Tobias noch im Ring, diesen Kampf erneut auszutragen ist in jedem Falle eine honorige Geste - inwiefern sich so ein Rückkampf realisieren läßt, hängt indes von sehr vielen anderen Faktoren ab. Unabhängig von dem ganzen Ärger um die Punktrichter: Ismail El Brouzini verdient unseren Respekt! Anders als so mancher andere (einschließlich anonymer Kommentatoren hier auf der Seite) kämpft er IM RING gegen Tobias Voss - und ist kein Heckenschütze aus dem virtuellen Hinterhalt!

Ludger Vessenbroich said...

Sehr gut gekontert, DDH! Daumen hoch!