Tuesday, November 28, 2006

Staatlich erzwungener "Copyright"-, Patent- und Markenschutz ist ein essentiell sozialistisches Konzept

Darauf weist Robert Grözinger auf seinem Blog und im Freiheitsforum hin. Bis zur Vorzeige-Parteiliberalen Sabine Leutheusser Schnarrenberger, die sich am zurückliegenden Wochenende auf dem Landeskongreß der bayerischen JuLis in Bamberg wieder mit Einlassungen wie

"Wir brauchen (...) ein robustes Urheberrecht, das geistiges Eigentum auch in Zukunft wirksam schützt! Erst dieser Schutz schafft die notwendigen Anreize für kreative Tätigkeit und für Investitionen in deren wirtschaftliche Verwertung. (...)Bestrebungen, das Urheberrecht zugunsten unverhältnismäßiger urheberrechtsfremder Interessen zurückzustutzen, lehnt die FDP ab."

hervorgetan hat, scheint dieser Gedanke aber einstweilen noch nicht vorgedrungen zu sein. Eine durchaus anregende wie differenzierte Abhandlung von Hardy Bouillon zum Thema "Geistiges Eigentum" aus "Aufklärung und Kritik" sei hier noch zur erkenntisfördernden Lektüre dem geneigten Leser anempfohlen.

Who governs Britain?

Eine gute Frage und ein verdammt guter Blog. Und wer regiert eigentlich uns?

Monday, November 27, 2006

Eilmeldung: Ludwig Erhard postum aus der CDU ausgetreten!

Aufgrund meiner hervorragenden Beziehungen nach ganz oben habe ich es soeben exklusiv als erster erfahren: Ludwig Erhard (1897 - 1977) ist heute anläßlich des CDU-Bundesparteitages in Dresden aus der CDU ausgetreten. Zur Begründung erklärte er:

„Es gibt drei Kategorien von Menschen, die ich, im Grunde genommen und zurückhaltend ausgedrückt, einfach nicht leiden kann. Das eine sind die Nur-Pragmatiker. Zwar weiß ich auch, dass man nicht immer durch die Wand gehen kann; aber Pragmatiker aus geistiger und charakterlicher Haltung zu sein ist der Verachtung wert. Den Pragmatikern, die sich sogar weise dünken, folgen die Opportunisten, denen nur mit Abscheu zu begegnen ist. Und schließlich sind da noch die Konformisten als das wahrscheinlich ärgste Übel zu nennen. So viel an Widerwärtigkeit kann kein anständiger Mensch vertragen.“*




* Das Zitat stammt aus einer von Ludwig Erhard gehaltenen Rede beim Empfang des CDU-Vorsitzenden Dr. Helmut Kohl im Hotel Königshof Bonn, 4. Februar 1977, abgedruckt in: Karl Hohmann (Hrsg.), Ludwig Erhard. Gedanken aus fünf Jahrzehnten. Reden und Schriften, Econ-Verlag, 1988


Weiterführende Literatur-Empfehlungen vor allem für meine christdemokratischen Blogbesucher:

Horst Poller: "Rechts oder Links? Niedergang und Erneuerung der CDU" - München: aktuell, 1998. - 150 S.-
ISBN 3-87959-557-7

Gerd Habermann: "Vision und Tat. Ein Ludwig-Erhard-Brevier" 2. Auflage 2005 Ott Verlag, 223 S.
ISBN 3-7225-0001-X

Monday, November 20, 2006

Amerika, hast Du es besser?

Von einem der auszog, mehr Freiheit zu suchen, werden wir wohl bald Näheres erfahren. Zweifel sind indessen erlaubt, wenn man dem Artikel "Bekennende Linksliberale" von Jan-Werner Müller aus der Wochenendausgabe der NZZ folgt:

«…Schliesslich ist Bush ein «Big government»-Konservativer, welcher mit seinem Fürsorge-Programm für ältere Menschen (sprich: zuverlässige Wähler) eine der grössten Erweiterungen des Wohlfahrtsstaates in der amerikanischen Geschichte zu verantworten hat. Die Republikaner sind nicht so sehr an ihren eigenen Ideen gescheitert als an Korruption, Inkompetenz und einer (neokonservativen) Ideologisierung. Die Wähler, darf man mutmassen, wollen vor allem eine fähige, verantwortungsbewusste Regierung und nicht unbedingt weniger Staat, wie dies noch unter Reagan der Fall war. – Was in den USA derzeit wirklich unpopulär ist, sind radikale und staatsferne Libertäre oder, wenn man so will: Liberale im alteuropäischen Sinne.»

Friday, November 17, 2006

Ehrendes Angedenken

Mit dem Nobelpreisträger Milton Friedman ist gestern einer der größten, ruhmreichsten und zugleich auch humorvollsten Vorkämpfer für Freiheit und Kapitalismus verstorben. Bewunderer wie Kritiker würdigen ihn und seine herausragenden Verdienste während seines bewegenden Lebens, dessen Werk vor allem der nachwachsenden Generation authentischer junger Liberaler Vermächtnis bleibt. Viele Freiheitsfreunde verneigen sich in diesen Tagen tief vor einem außergewöhnlichen Propheten der Freiheit, dem die Geschichte, wie schon dem großen Ludwig von Mises, ungeachtet aller Anfeindungen durch geistige Pygmäen, letztlich doch recht gegeben hat. Seine Ideen und Ideale werden weiterleben in unseren Köpfen und Herzen!

Thursday, November 16, 2006

Etikettenschwindel

Meine eigentümlich freie Jahrbuch-Rezension auf ef-online:

Das „Jahrbuch zur Liberalismus-Forschung 2006“ beweist: Das gesamte Elend des deutschen Camouflage-Liberalismus passt zwischen zwei Buchdeckel.

Der Rezensent hatte als DDR-Kind einmal das besondere Vergnügen sozialistischer Gastro-Kultur erleben dürfen, als man ihm in einem Restaurant in Stralsund nach langem Warten am Eingang („Sie werden plaziert!“) und der endlich erfolgten Bestellung einen „Schafskäse-Salat“ servierte, der, als Sättigungsbeilage gedacht, einen winzigen Schönheitsfehler hatte: Es fehlte der Schafskäse. Die Lektüre des „Jahrbuchs zur Liberalismus-Forschung“ bescherte mir nun dieser Tage ein déjà-vu-Erlebnis. Wieder war kein Nutella drin, obwohl Nutella draufstand: Es fehlte schlicht der Liberalismus.

Das nun schon im 18. Jahrgang seit 1989 im Auftrag der Friedrich-Naumann-Stiftung herausgegebene „Jahrbuch zur Liberalismus-Forschung“ ist ein bemerkenswertes Dokument für das Selbstverständnis von Partei- und parteinahen Staats-Intellektuellen, die ganz im Geiste Friedrich Naumanns unter falscher Flagge segeln. Was dabei herauskommt, dürfte dem geistigen Anspruch des Stiftungsnamensgebers allemal gerecht werden. Ob jedoch die hier gepflegten weltanschaulichen Positionen und die als große historische Persönlichkeiten gewürdigten Figuren das Prädikat „liberal“ verdienen, darf gerade deshalb – nicht zuletzt auch im Lichte der Forschungserkenntnisse von Ralph Raico über die Fragwürdigkeit der Eignung Naumanns als deutscher Modell-Liberaler – füglich bezweifelt werden.


Wer unter Liberalismus im Gegensatz zu Naumann und dessen Epigonen etwas anderes versteht, als nur die Mäßigung jeweils vorherrschender Zeitströmungen und das zur Tugend verklärte Unvermögen, klare und unverrückbare Grundsätze zu formulieren und dann auch beharrlich und mit Entschiedenheit zu vertreten, der wird bei der Lektüre des Jahrbuches einige Male, unterbrochen durch Wutanfälle und Lachkrämpfe, an die Grenzen seiner Frustrationstoleranz herangeführt. Und nicht selten auch darüber hinaus. Der Mangel an Gedankenschärfe, Nervenstärke und Charakterfestigkeit, der hier nicht etwa schamhaft überspielt, sondern zum eigentlichen Prinzip des Liberalismus erhoben wird, ist zwar nicht ideengeschichtlich, jedoch mentalitäts-, sozial- und vor allem parteiengeschichtlich durchaus ein Kontinuum in der so unrühmlichen wie spezifisch deutschen Entwicklung des Liberalismus zu jener intellektuellen wie moralischen Schrumpfform, derer wir nicht erst heutzutage unter dem Signet „organisierter Liberalismus“ vor allem im Umfeld von FDP, Jungen Liberalen und Naumann-Stiftung gewahr werden müssen müssen.


In den verschiedenen Beiträgen zu unterschiedlichen Forschungsgebieten, biographischen Skizzen, den Miszellen und den Rezensionen wird, von wenigen Ausnahmen abgesehen, fast durchweg ein Liberalismus-Begriff propagiert, der auf eine völlige Orientierungslosigkeit eines Großteils der versammelten Autoren- und Herausgeberschaft schließen lässt.
Thematischer Schwerpunkt für das Jahrbuch 2006 ist ein vom Archiv des Liberalismus gemeinsam mit der Hugo-Preuß-Gesellschaft veranstaltetes Kolloquium im Vorjahr, das den Titel „Liberalismus und Kommune“ trug. In einem Beitrag von Christoph Müller über den Staatsrechtler und „Vater“ der, verglichen mit dem Grundgesetz relativ liberalen, Weimarer Reichsverfassung, Hugo Preuß, erfährt der geneigte Leser, dass Preuß offenbar einen „dezentralen Einheitsstaat“ anstrebte. Und dass er auf kommunaler Ebene einem „Munizipal-Sozialismus“ ausgesprochen offen gegenüberstand, freilich, wie es gleich beschwichtigend heißt, ohne mit Bismarcks „Staats-Sozialismus“ zu sympathisieren und „ohne die Ideologie des Katheder-Sozialisten Adolf Wagner zu übernehmen, der seine Vision des Staatssozialismus mit antisemitischen Versatzstücken garnierte“. Immerhin. Dennoch unterstützte Preuß massiv die Ausdehnung des Staates auf kommunaler Ebene bei sogenannten „öffentlichen Aufgaben“ wie etwa Wasserversorgung und Nahverkehr, wo angeblich das freie Spiel der Marktkräfte versagte. Müller schreibt: „Es war der ganze Stolz von Preuß, dass er als ein Liberaler undogmatisch genug war, um Notwendigkeiten vorurteilslos zu erkennen und dementsprechend politisch zu handeln.“



Nach diesem Maßstab durften Liberale noch oft in der Geschichte Grund zum Stolz gehabt haben, so auch der Reichstagsabgeordnete Rudolf Virchow. Das Wirken des Mediziners, Anthropologen und Reichstagsabgeordneten als Kommunalpolitiker in der freisinnigen Hochburg Berlin untersucht Constantin Goschler. Für die von Virchow repräsentierte Spielart des kommunalen Liberalismus rangierte, ganz wie bei Preuß, „im Zweifelsfalle das öffentliche Interesse an der Volksgesundheit über den privaten Kapitalinteressen: Während liberale Politik in der Gegenwart die Privatisierung öffentlicher Versorgungsleistungen anstrebt, verfolgte liberale Kommunalpolitik im Kaiserreich gerade die umgekehrte Strategie. Seit den 1880er Jahren wurde es zu einem prägenden Element liberaler Kommunalpolitik, die bis dahin entstandenen privaten Versorgungs- und Verkehrsleistungen in Eigenregie zu übernehmen. So ruinierte der Berliner Magistrat Ende der 70er und Anfang der 80er Jahre auf Virchows Betreiben durch die Einrichtung eines kommunalen Schlachthofes gezielt nicht nur rund 800 mittelständische Fleischer, sondern auch eine Aktiengesellschaft, die einen privaten Viehmarkt betrieb.“ Und anders als Virchows Parteikollege Eugen Richter, der Antisemitismus stets mutig die Stirn bot, beeilte sich Virchow bei einem Rundumschlag Bismarcks gegen die „jüdische Stadtclique“ Berlins öffentlich zu versichern, dass er kein Jude sei.

Auch andere vorgeblich liberale Politiker der Kaiserzeit und der Weimarer Republik, wie etwa Erich Koch-Weser und Wilhelm Külz, werden als ausgewiesene Fürsprecher des Kommunalsozialismus und Vorkämpfer einer umfassenden staatlichen Daseinsfürsorge vorgestellt, die wie selbstverständlich Elektrizitätswerke, Verkehrsunternehmen, Kino und Theater unter die Regie von Politikern gebracht haben, oder auch, so die Linksliberalen in Bremen, sich als „sozialreformerische“ Vorkämpfer der Einführung einer Arbeitslosenversicherung profilierten.


Symptomatisch für das historische Elend des organisierten Liberalismus in Deutschland ist die von Mit-Herausgeber Jürgen Frölich ausgiebig beleuchtete Vita von Eugen Schiffer, der dem Leser beschönigend als „eigenwilliger Liberaler“ vorgestellt wird. Unter „Eigenwilligkeit“ darf man sich eine überaus wendige, politisch flexible und stets zur Anpassungsbereitschaft neigende Persönlichkeit vorstellen, die in ihrer Laufbahn die Ämter des preußischen Landtagsabgeordneten, des kaiserlichen Unterstaatssekretärs, des republikanischen Vizekanzlers, des Chefs der sowjetischen Justizverwaltung und des Mitglieds der provisorischen DDR-Volkskammer bekleidete. Begann Schiffer, der aus Karrieregründen vom Judentum zum Protestantismus konvertierte, noch beim rechtesten Flügel der Nationalliberalen als Exponent eines „eher konservativen Nationalismus, der sich jedoch sozialen Belangen nicht verschloss“, der sich gegen die freihändlerischen Tendenzen der Linksliberalen wandte, und beim Ausbruch des Ersten Weltkriegs sein ganz persönliches „August-Erlebnis“ von 1914 in hohle Phrasen stanzte. So suchte er 1917 Anschluss an die neuen Mehrheiten im interfraktionellen Ausschuss aus Zentrum, Fortschrittspartei und Sozialdemokratie und unterstützte deren Friedensinitiativen. Der Reichskanzler ernannte ihn zum Unterstaatssekretär im Reichsschatzamt. Der Rat der Volksbeauftragten übernahm ihn in dieser Position auch nach 1918. Parteipolitisch wechselte dieser „eigenwillige Liberale“ nun nicht zum letzten Mal die Seiten und schloss sich der DDP an. Belohnt wurde er im Kabinett Scheidemann mit dem Finanzministerium. „Allerdings“, so der Verfasser, „entsprach die Finanzpolitik nun keineswegs klassisch liberalen Grundsätzen“. Schiffers Programm bestand aus massiven Steuererhöhungen und einer Zentralisierung der Finanzverwaltung. Und er rief Kritikern im Reichstag zu: „Wenn Sie eine derartige Finanzgebarung antikapitalistisch nennen wollen, so nehmen wir den Namen ruhig hin“. Auf einem DDP-Parteitag 1919 legte er ein sehr „eigenwilliges“ Bekenntnis zu seiner Vorstellung von Liberalismus ab: „Wir lehnen ebenso jenes herzlose Manchestertum ab, das die Freiheit nur als Freibrief zur skrupellose Ausbeutung der eigenen Macht für eigensüchtige und ehrgeizige Zwecke sieht. Wir wollen und verfechten die Freiheit, die nicht vom Staate weg, sondern zum Staate hinführt.“ Im Jahre 1924 spaltete er sich wiederum von der immer erfolgloseren DDP ab und versuchte den Brückenschlag zur DVP Stresemanns, wo man ihn jedoch auch nicht haben wollte. In der schon im Gründungsaufruf der Nationalliberalen von 1867 zum Ausdruck kommenden Auffassung, dass „es das eigentliche Wesen des Liberalismus sei, auf die Zeichen der Zeit zu achten und sie zu verstehen“, auf den er sich oft bezog, könnte man Schiffers Maxime sehen. Nach dem Krieg, den er aufgrund von Protektion trotz jüdischer Herkunft in Berlin unbeschadet überstanden hatte, schloss er sich in der sowjetisch besetzten Ostzone der neugegründeten LDP(D) an und hatte erheblichen Anteil daran, seine Partei nun in einen von der KPD geführten „Block der antifaschistisch-demokratischen Parteien“ einzufügen. Zu Unbotmäßigkeit neigende Mitglieder der Ost-Liberalen mahnte er, „keine Polemik zu treiben und nach Möglichkeit Zurückhaltung zu üben“. Auch gegen die illegalen Verhaftungen von liberalen Parteifreunden durch das Regime protestierte er nicht. Für seine Anschmiegsamkeit an das neue System ist er von den Sowjets schließlich zum Präsidenten der zonalen Justizverwaltung ernannt worden. Zu seinem 90. Geburtstag, den er 1950 mit einer ganzen Reihe von SED-Bonzen feierte, hielt er noch einmal eine Rede, die in der Aussage gipfelte, es liege im eigentlichen Wesen des Liberalismus, sich im guten Sinne anzupassen.


Ein anderer Autor des Jahrbuches befasst sich unter anderem mit einem anderen LDPD-Granden, dem DDR-Handelsminister Karl Hamann, der sich nach übereinstimmender Meinung von Zeitzeugen und DDR-Dissidenten als „Erfüllungspolitiker der SED“ respektive als „willfähriger Adlatus des Regimes“ erwiesen habe, und der auch vor Denunziation und Kollaboration nicht zurückgeschreckt habe, bis er schließlich selbst Opfer eines stalinistischen Schauprozesses wurde. Das hindert freilich die Brandenburgischen Liberalen nicht daran, ihre Landesstiftung nach einer so obskuren Figur zu benennen.


Ein in Gummersbach gehaltener Festvortrag des unvermeidlichen Barthold C. Witte anlässlich der alljährlichen Liberalismus-Tagung lässt zumindest keine Fragen mehr offen. Als „Liberaler in schwierigen Zeiten“ wird mit Werner Stephan ein zeitweise enger Mitarbeiter von Joseph Goebbels vorgestellt. Stephan war, wie selbst der Laudator Witte nicht umhin kann einzugestehen, an vorderster Front dabei: als Ministerialrat im Ministerium für Volksaufklärung und Propaganda. Er „hatte über längere Zeit die tägliche Parole des Regimes an die hauptstädtischen Journalisten auszugeben. Das war keine Nischenexistenz, sondern aktive Mitwirkung.“ Im Jahre 1938 trat der ehemalige DDP-Funktionär in die NSDAP ein und wurde persönlicher Referent von Reichspressechef Otto Dietrich. Getreu der Adenauerschen Nachkriegsdevise, man schütte kein schmutziges Wasser weg, wenn man kein sauberes habe, machte die FDP Stephan 1955 zu ihrem Bundesgeschätsführer. Später wirkte Stephan noch als Ziehvater von Karl-Hermann Flach mit, den er zur „unumstrittenen geistigen Führungsfigur“ aufbaute, was dieser ja dann beim Umkrempeln der FDP in eine salon-sozialistische Partei Anfang der 70er Jahre auch tatkräftig unter Beweis stellte. Die Friedrich-Naumann-Stiftung, mit deren Bildungsarbeit in Wochenendseminaren er zunächst den ehemaligen NSDAP-Reichtstagsabgeordneten Reinhold Schulze betraute, sei „Werner Stephans eigentliches Vermächtnis an die folgenden Generationen“, weiß Festredner Witte.


Das mitunter interessanteste in diesem Jahrbuch sind die Fußnoten. So entdeckt der Leser etwa in einem Beitrag über das Verhältnis von Ludwig Erhard und Thomas Dehler, dass es 1948 im Landesvorstand der bayerischen Liberalen erhebliche Vorbehalte gegen Erhards marktwirtschaftliche Politik gegeben hat, mit der man sich keinesfalls „itentifizieren“ (sic!) dürfe.


Neben einer erfreulichen Kurzbesprechung aus der Feder von Detmar Doering zu einer Arbeit über Hayek (die aber alleine die Anschaffung des kompletten Jahrbuches nicht rechtfertigt) stößt man im Rezensionsteil auf einen Verriss der überaus mutigen und bahnbrechenden Arbeit von Wolfgang Schivelbusch unter dem Titel „Entfernte Verwandtschaft“ zur Vergleichbarkeit von Faschismus, Nationalsozialismus und „New Deal“. Letzteren bezeichnete schon der libertäre Publizist Andreas K. Winterberger vor vielen Jahren mit Fug und Recht als „amerikanische Spielart des Faschismus“. Rezensent Ernst Wolfgang Becker ist gleichwohl not amused über diesen längst überfälligen Tabubruch. Besonders verübelt Becker Schivelbusch, dass dieser die „Weltpremiere“ des Totalitarismus im Frühjahr 1917 festmacht, als die US-Regierung mit ihrem Kriegseintritt den innenpolitischen Gegner gleichschaltete und Repressionen ausübte. Außerdem dürfe man nicht wie Schivelbusch den Liberalismus auf die Nachtwächterrolle des Staates verkürzen. Der Liberalismus habe sich schließlich schon im 19. Jahrhundert vom Typus des Manchester-Liberalismus ab- und dem korporatistischen Interventionsstaat zugewandt. Die dirigistische Wirtschafts- und Sozialpolitik des „New Deal“ stünde nach Rezensent Becker deshalb gerade in einer Tradition eines „Konsensliberalismus, der zu einer etatistischen Neuformulierung von liberalen Inhalten führte.“


Wer sich also in vor uns liegenden langen Winterabenden einen desillusionierenden Überblick über die nach langem Niedergang erreichte geistige Schwundstufe des organisierten Liberalismus vor allem auch in dessen akademischen Milieu verschaffen möchte, dem sei dieses Jahrbuch empfohlen.


Literatur:Birgit Bublies-Godau u.a. im Auftr. d. Fr.-Naumann-St.: Jahrbuch zur Liberalismus-Forschung. 18. Jg. 2006 – erhältlich über Capitalista: 25,00 Euro. Best.-Nr.: 38329 21877.

Ad multos annos!

Im Jahre meiner Geburt wurde Wolf Biermann aus der DDR ausgebürgert. Ich hatte von da an noch 13 Jahre "Wohn-Haft" hinter dem "Antifaschistischen Schutzwall" vor mir. Gestern feierte der stets unbequeme Barde er seinen 70. Geburtstag. Obwohl wir ideologisch grundverschieden sind, schätze ich diesen charakterstarken Querkopf, der vor allem nie ein Leisetreter war und auch heute noch wenn es sein muß Tacheles redet, außerordentlich. Auch, weil er heute noch mit dem totalitären Pack abrechnet, das mir aus Kindertagen nur bestens vertraut ist!

pro domo

Mein Blog wird jetzt dankenswerterweise auch auf JuLi-Blogs.de gelistet. Eine sehr erfreuliche und unterstützenswerte Initiative von Dirk Meister, die vor allem eines zeigt: Trotz der großen Bandbreite an unterschiedlichen jungliberalen Strömungen wird bei den JuLis immer noch eine offene Diskussionskultur gepflegt, die sie von anderen, zumeist auf "Palavergehorsam" getrimmten Jugendorganisationen wohltuend abhebt.

Wednesday, November 15, 2006

Abschreckend: Jahrbücher zur Liberalismus-Forschung

Mir sind jetzt durch Zufall die Jahrgänge 1996 und 2006 (der aktuelle Jahrgang, über den demnächst eine Rezension in eigentümlich frei erscheinen wird) in die Hände gefallen. Es ist noch viel grausamer, als man nach dieser Warnung von André F. Lichtschlag erwarten durfte!

Allein die Jahrgangs(lach)nummer 1996 ist ein Gedicht: Da wird zum Beispiel ein von Detmar Doering und Fritz Fliszar herausgegebener Sammelband mit dem Titel "Freiheit - Die unbequeme Idee. Argumente zur Trennung von Staat und Gesellschaft", DVA 1995, an dem unter anderem James M. Buchanan, Gerd Habermann und Stefan Blankertz mitwirken, madig gemacht. Rezensent Gilbert A. Gratzel aus Sprockhövel kritisiert den mangelnden Willen der Autoren zur inhaltlichen Normsetzung, da Spielregeln alleine nicht ausreichten - und dies vor allem, um soziale Ungleichheiten zu kompensieren. Er behauptet ferner, die "Ausgangschancen der potentiellen Marktteilnehmer müssen möglichst gleichgeschaltet sein. Da diese jedoch faktisch meist ungleich verteilt sind, bedarf es kompensatorischer Hervorhebungen: staatlicher Lenkung und Planung in Form von Sozialpolitik oder der Einführung eines progressiven Steuersystems." Letzteres wurde übrigens in Preußen durch den "nationalliberalen" Finanzminister Johannes von Miquel, eine ausgesprochen unrühmliche historische Erscheinung, eingeführt, Erhard Eppler erinnerte kürzlich bei Maischberger daran!

Die "reine Markttheorie", so Gratzel weiter, "ist im Kern nichts anderes als eine der zahllosen Versionen der Utopie der Herrschaftslosigkeit". Ohne auf auch nur einen Beitrag des Sammelbandes substantiell einzugehen, beruft sich Gratzel auf "planrationale Erfordernisse" und "Unausweichlichkeiten" bei seiner tollkühnen Etatismus-Apologetik.

Noch mißglückter gerät die dümmliche Polemik des Politologen Hans Vorländer zu Roland Baaders Sampler "Die Enkel des Perikles. Liberale Positionen zu Sozialstaat und Gesellschaft", der u.a. Beiträge von Hans-Hermann Hoppe, Hardy Bouillon, Gerard Radnitzky, Detmar Doering und Robert Nef enthält. Hier werden wirklich ungeahnte Peinlichkeitsgrade erreicht.

Das fängt schon damit an, daß in der Überschrift zu dieser "Rezension" von "Die Freiheit des Perikles" die Rede ist, also jemand offenkundig nicht einmal den Titel des Buches ganz erfaßt hat. Den Autoren kreidet Vorländer, der sich über den Begriff "demokratische Wohlfahrtsdiktatur" empört, an, sie arbeiteten sich an der "Demaskierung einer vermeintlich freiheitsgefährdenden Politik ab". Roland Baader unterstellt er eine "fundamentalistische Heilsgewißheit", er erweise, so erdreistet sich Vorländer herumzurülpsen, mit diesem Buch "der Sache der Freiheit einen Bärendienst" - "alles in allem ein Buch, dessen Titel auf die falsche Fährte lockt [wenn man ihn garnicht erfaßt hat, ist das starker Tobak!] und das in vielen, nicht in allen Teilen eher dogmatisch und abschreckend als nachdenklich und aufregend daherkommt."

Für mich jedenfalls waren es in allererster Linie die Bücher Baaders - und nicht die den geistigen Tiefgang von Teebeuteln vermittelnden Naumann-Stiftungs-Broschüren - die mich von freiheitlichen Ideen begeistert haben und denen ich viele Einsichten in die Theorie des klassischen Liberalismus danke. Und vielen Freunden, die meinen Blog lesen, wird es ähnlich ergangen sein. Abschreckend sind hingegen die Elaborate dieser parteinah-verbonzten Stiftung zu nennen, schlechterdings eine Verhöhnung des Liberalismus!

Tuesday, November 14, 2006

Freiheit heißt Freiheit vom Staate - das gilt auch und gerade für die Meinungsfreiheit

Der folgende Gastbeitrag meines Freundes Christian Hoffmann (Blogger auf freilich.ch) ist eine Replik auf einen Essay von Arne Hoffmann in eigentümlich frei:



Wann ist die Meinung frei?

Über Political Correctness, Kampagnen-Journalismus und den Staat

Von Christian Hoffmann


Martin Hohmann und Jürgen Möllemann – zwei prominente Opfer der Political Correctness. Beide Politiker wurden aufgrund streitbarer Meinungsäußerungen aus Amt und Würden und in einem Fall gar in den Tod gejagt. In seinem Beitrag „Es darf mit diesem Mann kein Mitleid geben!“ weiß Arne Hoffmann die Atmosphäre einer solchen Polit-Kampagne, die eine bestimmte Person gleichsam „zum Abschuss“ freigibt, sowie die individual-psychologischen Folgen einer solchen Hatz eindrücklich zu beschreiben. Hässliche, unwürdige Szenen. Hier und da geradezu unmenschliche Äußerungen. Doch ist Arne Hoffmann auch Recht zu geben, wenn er behauptet, dass solche „diskursiven Ausgrenzungen“ in Wahrheit gar die „juristische Unterbindung von Meinungsfreiheit“ vorbereiten? Steht hinter diesen Fällen der wild gewordenen Political Correctness tatsächlich ein Prinzip, ein System, welches aus liberaler Perspektive zu kritisieren wäre? Machen demnach Libertäre einen Fehler, wenn sie sich vor allem gegen staatliche Meinungsverbote (von Holocaust-Leugnungs-Verbot bis „Jugendschutz“) wehren?
Arne Hoffmann sieht hier einen Bruch zwischen schöner Theorie und hässlicher Praxis. Dies ist verständlich, hat er sich doch in seiner beruflichen Praxis wiederholt, und – aufgrund eines Interviews mit der umstrittenen Homepage „muslim-markt.de“ – auch gerade aktuell wieder, den Zorn der Verteidiger der Political Correctness zugezogen. Dennoch, oder gerade wegen solcher Konflikte, ist festzuhalten, dass die libertäre „Theorie der Rechte“ keineswegs nur grau, sondern eine unverzichtbare Grundlage der Gestaltung menschlichen Zusammenlebens ist.
In der juristischen Theorie ist auch die Meinungsfreiheit eines jener Bürgerrechte, welche im Rahmen des Konstitutionalismus dem Staat Grenzen auferlegen und damit die Freiheit der Bürger wahren soll. Wie viele dieser Bürgerrechte, krankt auch die Meinungsfreiheit an der Schlüpfrigkeit des zugrunde liegenden Rechtsgutes: Was genau ist eine Meinung? Besitzt man eine Meinung, gibt es ein Eigentumsrecht auf eine Meinung? Ergibt sich daraus das Recht jederzeit und überall Meinungen zu äußern? Wie üblich ist es der Staat, der je nach eigenem Bedürfnis die Kompetenz reklamiert, derartige Fragen beantworten zu können. Wie üblich ist damit staatlichen Beschränkungen der "Meinungsfreiheit" Tür und Tor geöffnet.
Wie beurteilt dagegen die libertäre Theorie das „Recht auf Meinungsfreiheit“? In einer freiheitlichen Gesellschaft soll hier jeder Mensch das Recht haben, mit sich und dem eigenen Eigentum zu tun und lassen, was ihm beliebt, solange er dabei nicht die (Eigentums-)Rechte anderer verletzt. Natürlich hat der Mensch entsprechend das Recht, auf eigenem Grund und Boden und mit dem eigenen Eigentum jede erdenkliche Meinung und Erkenntnis zu verbreiten. Die "Meinungsfreiheit" ist also schlicht ein Derivat der Eigentumsrechte. Dies kann so verdeutlicht werden: Kein Mensch hat das Recht, auf dem Grund und Boden eines anderen oder mit den Mitteln eines anderen gegen dessen Willen Aktivitäten zu entfalten, einschließlich der Verbreitung von "Meinungen". Als Derivat der Eigentumsrechte endet die Meinungsfreiheit selbstverständlich bei der Verletzung dieser Rechte. Wird jedoch ein Mensch davon abgehalten, mit den eigenen Mitteln eine Meinung zu verbreiten, so ist dies nichts anderes, als eine illegitime Verletzung seiner Eigentumsrechte - sei es durch Zerstörung, Diebstahl, Freiheitsberaubung oder Körperverletzung. Kein Individuum hat das Recht, solche Verstöße vorzunehmen. Es ist jedoch der Staat, der auch hier systematisch und regelmäßig Eigentumsrechte verletzt, indem er unliebsame Meinungen verbietet und verfolgt. Es ist daher geradezu die Pflicht eines jeden Libertären, auch im Falle eines "Ekel-Themas" wie der Holocaust-Leugnung auf die Einhaltung der Eigentumsrechte zu beharren und nicht etwa, wie Arne Hoffmann dies vorschlägt, eine "Güterabwägung zu anderen Werten" vorzunehmen.
Wie verhält es sich nun im Falle medialer Polit-Kampagnen, wie jener gegen Hoh- und Möllemann? Von der Illegitimität staatlichen Rundfunks abgesehen, haben hier Verlage ihr Eigentum genutzt, um gewisse Meinungen zu transportieren. Niemand wurde zum Konsum dieser Medienprodukte gezwungen, niemandes Rechte wurden also verletzt. Auch ist es das gute Recht von Vereinen, unliebesame Mitglieder satzungsgemäß auszuschliessen. Offenbar verstoßen derartige Kampagnen also keineswegs gegen ein libertäres Rechtsverständnis.
Arne Hoffmann scheint nun große Hoffnungen in den juristischen Schutz des Rufs oder der Würde einer Person zu legen. Ironischerweise ist genau dies ein Punkt, an dem die libertären Alarmglocken zu schrillen beginnen. Der Ruf einer Person ist nichts anderes als das Bild dieser Person, das andere Menschen in ihrer Vorstellung tragen. Es gibt also kein Eigentumsrecht an einem Ruf, und selbst wenn, so läge dieses nicht bei der Person, um dessen Ruf es sich handelt. Ein Schutz des Rufes lässt sich auch nicht aus einem anderen Eigentumsrecht ableiten. Im Gegenteil, das Verbot, mit eigenen Mitteln rufschädigende Informationen (ob wahr oder falsch) über andere zu verbreiten, ist ein nicht zu rechtfertigender Eingriff in die Rechte des Rufschädigers. Es sollte doch schon bedenklich stimmen, wenn der Staat hier einmal mehr ein "Bürgerrecht" nutzt, um Sondertatbestände für das eigene Personal, wie im Falle der "Beamtenbeleidigung" zu schaffen. Der "Persönlichkeitsschutz" ist hier nichts anderes als ein eklatanter Bruch fundamentaler Eigentumsrechte.
Wie sind also zusammenfassend die von Arne Hoffmann beschriebenen Exzesse der Political Correctness zu bewerten? (Von der individuellen, moralischen Beurteilung dieser Vorgänge einmal abgesehen.) Offenbar wurde in keinem der Fälle die Meinungsfreiheit in irgendeiner Form bedroht. Die Eigentumsrechte der "Opfer" blieben ebenso unangetastet wie die der "Verfolger". Einmal mehr wäre es schlicht absurd, ausgerechnet den Staat an dieser Stelle mit dem Schutz der Meinungsfreiheit zu beauftragen. Wie beschrieben, schränkt keine Institution diese so häufig und radikal ein, wie eben der Staat selbst. Nicht nur der Jugendschutz und seine hässlichen Verwandten sind hierfür Beispiele, sondern eben gerade auch der so genannte Persönlichkeitsschutz. Ziel von Liberalen sollte daher – anders als Arne Hoffmann dies darstellt - nicht unbedingt eine Gesellschaft sein, in der Meinungen unbegrenzt geäußert werden können. Ganz sicher sollte es keine Gesellschaft sein, in der Meinungsvielfalt staatlich gefördert wird (ohnehin ein Widerspruch in sich). Ziel sollte immer, und eben auch in diesem Fall, eine Gesellschaft sein, in der Eigentumsrechte mit all ihren Folgen Bestand haben und durchgesetzt werden können. Es kann nicht überraschen, dass auch hier einmal mehr die Politik das Problem, und eben nicht die Lösung ist. Abschließend muss auch die Tatsache noch erwähnt werden, dass publizistische Kampagnen, wie die gegen Hohmann und Möllemann, ohne das unheilvolle Anreizsystem des Staates vermutlich ohnehin überhaupt nicht denkbar wären.

Literatur:

Murray Rothbard: Die Ethik der Freiheit
Walter Block: Toward a Libertarian Theory of Blackmail. In: Journal of Libertarian Studies Volume 15, no. 2 Spring 2001
Christian Hoffmann: Der Irrtum der "Bürgerrechtsliberalen". In: eigentümlich frei, 8. Jg, Nr. 57 November 2005.

Friday, November 10, 2006

Roll-back nach Freiburg?

Der SPIEGEL berichtet in seiner Ausgabe vom 06.11.06 über Guidos rasantes Abdriften ins polit-fossile Nirwana eines diffusen „Sozial-Liberalismus“:


„Nicht nur die bayerische Union hat einen Strategiewechsel eingeleitet, der das Parteiengefüge in Deutschland nachhaltig verändern könnte; ganz vornean läuft auch FDP-Chef Guido Westerwelle. Sein Reformeifer ist in der Opposition weithin sichtbar stark abgeflaut, er funkt neuerdings auf einer anderen Frequenz.
Kaum ein Tag vergeht, an dem Westerwelle nicht demonstrativ seine Arme in Richtung der Mühseligen und Beladenen ausstreckt. Die Kürzung der Pendlerpauschale und des Sparerfreibetrags erbost ihn sehr: „Wieder sind die Kleinen die Dummen“, sagt er. […]

Plötzlich hat Westerwelle auch die
Gewerkschaften wieder lieb. DGB-Chef Michael Sommer fühlt sich jedenfalls vom neuen Westerwelle besser verstanden als vom alten. Der alte rief: „Gewerkschaftsfunktionäre sind die wahre Plage für unser Land.“ Der neue, den Sommer beim gemeinsamen Besuch eines Italo-Restaurants erst kürzlich genauer kennenlernte, zeigte Verständnis selbst für die jüngste Großdemonstration des DGB gegen die Berliner Regierung. Der Protest sei richtig, sagte der Liberale hernach auch öffentlich, „die Bürger brauchen mehr Geld“.
Geradezu tollkühn mutet Westerwelles Positionswechsel in der Rentenpolitik an. Die Altergrenze bei 67 lehnt die FDP neuerdings ab, weil sie derzeit, ohne Reform des Arbeitsmarktes, „für Millionen Menschen eine zwei Jahre längere Arbeitslosigkeit oder eine handfeste Rentenkürzung“ bedeute. Die Delegierten des Rostocker FDP-Konvents im Mai folgten der Linie ihres Vormannes halb ungläubig, halb widerwillig.
Sie ignorierten damit die Warnung ihres Ehrenvorsitzenden Otto Graf Lambsdorff, der zu mehr Standfestigkeit geraten hatte. „Wer glaubt, ohne Rentenkürzungen auszukommen, der macht einen Fehler.“

[…] Stellvertretend für andere in der Fraktion appelliert
Daniel Bahr, die „klaren, stringenten Positionen nicht zu verwischen und dadurch Glaubwürdigkeit zu verspielen“. Enttäuschte CDU-Anhänger, die sich gerade der FDP zuwenden, dürfe man nicht verprellen, mahnen wirtschaftsnahe Freidemokraten.“


Aus „Alles fließt“, DER SPIEGEL 45/2006, S. 24/25


Wenn Westerwelle so weitermacht – und ihm auch niemand beherzt in den Arm fällt (aber wer?) – könnte dieser „neosoziale“ Judaskuß zugleich auch den Todeskuß für den organisierten Liberalismus in Deutschland bedeuten. Wie schon einmal in der Geschichte, als die Naumänner und Rathenaus (von so obskuren “nationalliberalen“ Erscheinungen wie Bennigsen und Miquel ganz zu schweigen) dem damaligen Zeitgeist und dem zeitlos antiliberalen deutschen Volksgeist folgend von „Weltpolitik“, „Volkssozialismus“, „Staatswirtschaft“ und ähnlich befremdlichen Begriffsmonstern faselten und damit ihr intellektuelles und charakterliches Unvermögen bewiesen, das erzliberale Erbe Eugen Richters heilig zu halten.

Im Grunde bleibt jedoch auch bei Guidos vermeintlichem Kurswechsel alles beim alten:

«Jede politische Partei in Deutschland hat – soweit sie nicht wie die sozialistische bereits auf Antiliberalismus eingeschworen ist – in irgendeiner Weise mit dem System der Staatseinmischung ihren Kompromiß geschlossen, teils aus innerster Überzeugung, teils um der noch immer nicht verebbten antiliberalen Volksströmung zu schmeicheln.»
Wilhelm Röpke, Gegen die Brandung, 1959

Thursday, November 09, 2006

Untergangspropheten-Dämmerung

Dirk Maxeiner schreibt in der Weltwoche über die faktenresistenten Klimahysteriker und den von ihnen immer fanatischer propagierten globalen Kladderaddatsch.

Wednesday, November 08, 2006

Steinzeit-Sozialismus

Roland Baader und Edgar Gärtner gehen in ihren überaus lesenswerten Essays der Frage nach, warum der Markt, obgleich größte menschliche Kulturleistung, dennoch so schwer vereinbar ist mit der menschlichen Natur, die es sich in der "Horden-Moral" bisweilen behaglich einrichtet. Offensichtlich sind wir evolutionsbiologisch wohl noch nicht so weit.

Tuesday, November 07, 2006

Unaufgeregte Betrachtungen zur Todesstrafe

Mein Stil ist es nicht, hier in die von einigen Westler-Bloggern erzeugte allgemeine Laola-Welle "Wir-wolln-ihn-hängen-sehn-wir-wolln-ihn-hängen-sehn-wir wolln-den Saddam-endlich-hängen-sehn" mit einzustimmen - auch wenn mir die völlig deplazierte Empathie der üblichen Verdächtigen von den bundesdeutschen und EU-europäischen Kommandohöhen für den eine Blutspur im Zweistromland hinterlassenden Massenschlächter von Bagdad noch weit mehr gegen den Strich geht.

Gleichwohl: aus libertärer Sicht ist, neben dem wenig überraschenden Hinweis, daß die Verurteilung & Vollstreckung durch den Gewalt- und Rechtssetzungsmonopolisten "Staat" durchaus zu beanstanden ist, bei nüchterner Analyse gegen die Todesstrafe an sich als ein adäquates Strafmittel zur Restitution im Falle von Mord, nichts, aber auch garnichts einzuwenden. Neben Rothbards "Ethik der Freiheit" sei hier vor allem auch auf Walter Block verwiesen.

Rahim Taghizadegan weist in der sehr spannenden aktuellen Diskussion auf Liberty.li auf einen wichtigen Punkt hin:

"ob nun todesstrafe oder nicht, keinesfalls lässt sich m.E. ein "recht " eines mörders ableiten, dass er hinfort vor seinen opfern zu beschützen sei, letztlich sogar auf deren kosten. beachtenswert ist doch das paradoxon, dass saddam dank des einsatzes erheblicher, seinen ehemaligen opfern abgepressten mitteln, vor denselben geschützt wurde - dank der errungenschaften des papiergesetzesstaates auch relativ komfortabel, wie es scheint. und das, während praktisch jede irakische familie unter dem momentanen bürgerkrieg angehörige verloren hat."



Ganz ähnlich argumentiert Christian Hoffmann auf freilich.ch:

"Strafe sollte nicht “Sühne für Schuld” sein (das klingt mir viel zu metaphysisch), sondern Entschädigung des Opfers, bzw. dessen Angehörigen. Die Straftat stellt ja immer die Schädigung eines Menschen dar, das Rechtssystem hat dafür zu sorgen, dass dieses Unrecht rückgängig gemacht, der Geschädigte also entschädigt wird.Im Falle des Mordes ist dies unmittelbar natürlich nicht möglich, hier sind jedoch die Angehörigen und Hinterbliebenen zu entschädigen. Darüber hinaus hat ein Rechtssystem, um seine Glaubwürdigkeit zu wahren, den Mord als sozusagen“höchstes Verbrechen” stets mit Entschiedenheit zu verfolgen. Es stellt sich die Frage, ob die Todesstrafe für diese beiden Ziele geeignet ist. Ich halte dies für möglich […]

Ich würde mal sagen, ich halte die Selbstjustiz zumindest für legitim. Es ist ja doch so, dass zumindest theoretisch der Bürger sein Recht auf Selbstverteidigung = Selbstjustiz an den Staat abtritt, um sich dessen Schutz zu sichern. Auch der Rechtsstaat hat also sein theoretisches Fundament in der Selbstjustiz. [...]

Angenommen X tötet einen meiner Verwandten und ich habe das Recht auf Selbstjustiz nicht an eine entsprechende Agentur abgetreten - natürlich würde ich X dann selbst zur Rechenschaft ziehen wollen. Mit welchem Mittel ist dabei jawohl eher zweitrangig. Wenn ich dabei jedoch in die Rechte Unschuldiger eingreifen würde, könnten diese mich natürlich wiederum entsprechend ebenfalls zur Rechenschaft ziehen (angenommen X ist in Wahrheit unschuldig, dann wäre ich ja schlicht ein Mörder). Das ist wohl auch der Grund, warum das Abtreten des Rechts auf Selbstjustiz an eine geeignete Instanz wahrscheinlich ist. Wie Du dir wohl denken kannst, bin ich jedoch nicht davon überzeugt, dass diese Instanz ein Zwangsmonopol sein muss. "


Eine häufig unterstellte Inkompatibilität der Todesstrafe mit der liberal-libertären Ethik und Rechtsphilosophie besteht jedenfalls nicht.

Fazit: man darf den zu vereinfachenden Schemata neigenden Westler-Bloggern gerne ein etwas infantiles Gehabe unterstellen - die Manieren sind in diesem "Sex, Drugs and Rock'nRoll"-Spektrum nunmal alles andere als hoppeanisch-kulturkonservativ - aber "illiberal", "zynisch" oder "menschenverachtend", wie von einigen libertären Freunden behauptet, ist ihre Haltung jedenfalls in dieser Causa keineswegs!

Monday, November 06, 2006

Liberalismus vs. Demokratie?

Daß Liberalismus und Demokratie zumindest gelegentlich kollidierende und konfligierende Systeme sind, sollte sich selbst bei eingefleischten "Liberal-Demokraten" mittlerweile herumgesprochen haben. Was aber ist zu tun, welche liberale Strategie zielführend, um das Minderheiten - und die wichtigste Minderheit ist immer das Individuum - allzuoft vergewaltigende Majorz-Prinzip zu entgiften? Auf freilich.ch führen mein Freund Christian Hoffmann und der Schweizer Freiheitsdenker Robert Nef dazu eine sehr anregende Debatte, auf die ich hiermit gerne meine geneigte Leserschaft verweise.

Sunday, November 05, 2006

Generation Habergrass vor dem Offenbarungseid?

Was immer auch an der Hanswurstiade dransein mag, und egal was immer auch der selbsternannte "Praeceptor Germaniae" in einer Art Schadensabwicklung übereifrigst hinuntergeschlungen haben mag oder auch nicht: an der Verlogenheit der Attitüde vor allem aber der Lebensuntauglichkeit der geistigen Bestände seiner von der Geschichte widerlegten Generation wird nicht nur er, sondern mit ihm die gesamte linke Haber-Masse noch sehr lange zu würgen haben. Da werden diesen Herrschaften (von Nationalbußprediger Richie v. Weizsäcker, der seinen Vater, einen der Beteiligten an der berüchtigten "Wannseekonferenz", vor dem Nürnberger Tribunal verteidigte, über den bezüglich seiner NSDAP-Mitgliedschaft an Amnesie leidenden Tugendwächter Walter Jens, bis hin zu den ihre Jugendbräune lebenslang verleugnenden Gutmenschen-Ikonen "Habergrass") vom moralischen Hochsitz auch die von ihnen nun allzuoft angerufenen Gerichte nicht helfen können.

Friday, November 03, 2006

Neues und Altbewährtes in der Bloggosphäre

Zum Wochenende gibt es wieder jede Menge erfreuliche Lektüre-Anregungen im WorldWideWeb zu vermelden, die grosso modo eine Verstärkung der Präsenz liberaler Ideen bedeuten und die von daher, bei allen tagespolitischen Unterschieden zumeist sekundärer Relevanz, als positive Impulsgeber zu einem freiheitlicheren Diskurs beitragen werden. Da wäre zum einen das in den letzten Tagen schmerzlich vermißte Antibürokratieteam, das mit seiner klassisch liberalen bis gemäßigt (neo?)libertären Ausrichtung längst zu meiner täglichen Standardlektüre gehört, und nun endlich wieder online ist. Da wäre zum anderen ein westlich-pro-interventionistisches, aber eben auch konsequent für Markt- und Meinungsfreiheit eintretendes Portal, auf dem sich unter anderem ein von mir sehr geschätzter Hans Dampf in allen Gassen der Freiheit austoben kann. Und schließlich eine intellektuell sehr anregende neue Seite, die die libertäre Szene mit ihren liebgewonnenen Grenzziehungen zwischen LeftLibertarians und PaleoLibertarians mit einem interessanten neuen Ansatz ordentlich aufwirbeln dürfte. Und last but not least ist auch aus der alt-freien Schweiz eine weitere Stimme im dort ohnehin ungleich stärkeren Chor der Freiheitsfreunde zu vernehmen. Wer ausgetretene Pfade verlassen möchte und eigentümlich unfreie Verprellungen potentieller Verbündeter als gelegentlich kritikwürdige Engführungen und Begrenzungen liberaler Möglichkeiten empfindet, der dürfte hier ein Desiderat vorfinden. Und gar keine Zeit haben für die allfällige Novemberdepri!

Thursday, November 02, 2006

Steingart eingetütet

Ein besonders schamlos und auf perfide Weise Globalisierungsängste schürender Schein-Liberaler (denn er wird für sein martialisch daherkommendes Buch ja sicher nicht in Münzen entlohnt), ist der hier schon erwähnte Gabor Steingart vom SPIEGEL. Rahim Taghizadegan und Gregor Hochreiter falten diesen Schmoller unserer Tage in der aktuellen eigentümlich frei zusammen.

Auch 'ne Art Leitkultur

Aus einem FAZ-Artikel über die islamistische Bedrohungskultur:

"In einer Berliner Zeitung wird derzeit vor dem Hintergrund eines Messerüberfalls auf einen jungen Mann erörtert, wie man mit jugendlichen Pöblern und Randalierern in der S- und U-Bahn umgeht. Ob man etwa türkisch oder arabisch aussehenden Jungs bitten kann, ihre Schuhe von der Sitzbank zu nehmen, ohne ein Messer in den Bauch zu bekommen."