Geschätzte Leser meines Blogs, auf dem ich fortan wieder häufiger Stellung beziehen werde,
vor ein paar Tagen habe ich mich mit einer Frage speziell an die Zeitgenossen aus meiner eigenen Generation gewandt, diesen Beitrag möchte ich hiermit gerne noch einer breiteren Öffentlichkeit zur Verfügung stellen:
Wenn ich eines Hauches von 1933 gewahr werde, möge man mich allenfalls der Untertreibung zeihen. Da soll also ein Abgeordneter der einzigen veritablen Oppositionspartei in diesem Lande, der sich kritisch (und ja, meinetwegen auch a weng rustikal) zur Frauenquote äußerte einer damnatio memoriae anheimfallen, und seinen akademischen Grad will man ihm obendrauf am liebsten auch noch entziehen. Da fli
egt ein anderer Volksvertreter der Opposition aus dem Kino, da dürfen Kinder von Oppositionspolitikern nicht mehr auf bestimmte Schulen gehen, da werden Oppositionellen über Nacht sämtliche, auch private, Konten gekündigt, Abgeordnete aus Restaurants geworfen, Hauswände beschmiert, Büros verwüstet, Fensterscheiben eingeschmissen, Radmuttern an Autos gelockert, da wird emsig mit Steckbriefen bei Arbeitgebern denunziert - und zu alledem liefern wie ehedem angepasste Staatskünstler den Soundtrack zum nach dem braunen und roten nun dritten - dem regenbogenfarbenen, "bunten" - Totalitarismus auf deutschem Boden, wie man hier schaudernd bewundern darf.
Ich hätte da mal eine Frage speziell an die Leute aus meiner Generation. Sagt mal, als sie uns in den 90er Jahren in der Schule ohne Unterlaß das "NIE WIEDER!" bis zum Hörsturz gepredigt hatten (und man den Steffen Heitmann nicht Bundespräsident sein ließ, weil er der Predigt-Routine als gelernter DDR-Bürger schon damals überdrüssig war), wart Ihr da alle weggedämmert? Musste damals die gymnasialen Vergangenheitsbewältigungsexzesse in Tat und Wahrheit nur ich im Wachzustand ertragen, weil Ihr schwäbischen Geizkragen mir vorher im Pausenhof von Euren Tütchen nichts abgegeben hattet?
„Es geht ein Bekenntnisdruck durch das Land, als Reaktion
auf den anhaltenden Erfolg der AfD. 290 sogenannte »Kulturschaffende« fordern
die Absetzung Horst Seehofers, unter anderem weil er »rechtspopulistische
Sprachmuster« benutze und das »gesellschaftliche Klima« vergifte. Der
evangelische Kirchentag beschließt, keine AfD-Vertreter als Redner bei seinen
Veranstaltungen zuzulassen. Bundesligavereine erklären, daß sie keine AfD-Anhänger
als Fans wünschten. Der EKD-Ratsvorsitzende veröffentlicht gemeinsam mit dem
Vorsitzenden des Zentralrats der Juden in Deutschland eine Warnung vor einem
gesellschaftlichen Rechtsruck. Die Parlamentarische Gesellschaft will ihre Satzung
ändern, um AfD-Politiker des Bundestages aus dem Abgeordnetenclub im ehemaligen
Reichspräsidentenpalais auszuschließen, und der Arbeiter-Samariter-Bund will
AfD-Mitarbeitern keine Erste-Hilfe-Kurse geben. Wo soll das enden? Bei einer
neuen Apartheid?
Keine dieser Feinderklärungen richtet sich im Kern an die
AfD oder die intellektuelle Rechte in Deutschland. Vielmehr sind alle
potenziellen oder tatsächlichen Sympathisanten angesprochen, um sie
abzuschrecken oder unter Druck zu setzen. Mit aller Macht wird versucht, eine
Bannmauer hochzuziehen und allen, die sich dem »linksliberalen Common Sense«
(Patrick Bahners) verweigern, unmißverständlich klarzumachen, daß sie sich schleunigst wieder in das »unteilbare«
Bündnis einzureihen haben, das von linksradikalen Antideutschen bis zum linken
Flügel der Union (gibt es noch einen anderen?) reicht, von
Third-Wave-Feminist*innen bis zu erzkonservativen Islamverbänden. »Wir sind
mehr« ist der passende Slogan für diese Art der plumpen Machtdemonstration, die
sich vom Schulhof-Dominanzgehabe nur durch die Größendimension unterscheidet.“
„Mit dem Slogan „Kein Kölsch für Nazis“ reagierten im
Frühjahr 2017 rund 150 Gastronomen auf den AfD-Parteitag in Köln. Die an der
Aktion beteiligten Klubs und Kneipen wollten, wie es hieß, damit ein Zeichen
gegen Rassismus und gegen die AfD setzen. Das geschah unter voller Zustimmung
der gesamten Zivilgesellschaft. Nur haben Gastwirte oder Hotels eigentlich
keinen Grund, eine solide, zahlende Kundschaft auszusperren. Es sei denn, man
hat ihnen klargemacht, daß ein Boykott des Boykotts schmerzhafte Strafmaßnahmen
nach sich ziehen würde.
Es ist eine offene Frage, was in einer derart
konditionierten und strukturierten Gesellschaft potentiell möglich ist und
welche Maßnahmen den Delinquenten nach der Verbannung aus dem öffentlichen und
halböffentlichen Raum noch bevorstehen. Derartige Entwicklungen besitzen, wie
die Geschichte zeigt, eine Eigendynamik. Und woher soll eine Gesellschaft von
Mitläufern gegebenenfalls die Kraft zum Widerstand schöpfen? Ob in der Zukunft
unter allen Umständen noch das Tötungsverbot gilt? Sicher kann man nicht sein.“
Thorsten Hinz, Im Dauerstreß, Junge Freiheit 50/18