Tuesday, November 07, 2006

Unaufgeregte Betrachtungen zur Todesstrafe

Mein Stil ist es nicht, hier in die von einigen Westler-Bloggern erzeugte allgemeine Laola-Welle "Wir-wolln-ihn-hängen-sehn-wir-wolln-ihn-hängen-sehn-wir wolln-den Saddam-endlich-hängen-sehn" mit einzustimmen - auch wenn mir die völlig deplazierte Empathie der üblichen Verdächtigen von den bundesdeutschen und EU-europäischen Kommandohöhen für den eine Blutspur im Zweistromland hinterlassenden Massenschlächter von Bagdad noch weit mehr gegen den Strich geht.

Gleichwohl: aus libertärer Sicht ist, neben dem wenig überraschenden Hinweis, daß die Verurteilung & Vollstreckung durch den Gewalt- und Rechtssetzungsmonopolisten "Staat" durchaus zu beanstanden ist, bei nüchterner Analyse gegen die Todesstrafe an sich als ein adäquates Strafmittel zur Restitution im Falle von Mord, nichts, aber auch garnichts einzuwenden. Neben Rothbards "Ethik der Freiheit" sei hier vor allem auch auf Walter Block verwiesen.

Rahim Taghizadegan weist in der sehr spannenden aktuellen Diskussion auf Liberty.li auf einen wichtigen Punkt hin:

"ob nun todesstrafe oder nicht, keinesfalls lässt sich m.E. ein "recht " eines mörders ableiten, dass er hinfort vor seinen opfern zu beschützen sei, letztlich sogar auf deren kosten. beachtenswert ist doch das paradoxon, dass saddam dank des einsatzes erheblicher, seinen ehemaligen opfern abgepressten mitteln, vor denselben geschützt wurde - dank der errungenschaften des papiergesetzesstaates auch relativ komfortabel, wie es scheint. und das, während praktisch jede irakische familie unter dem momentanen bürgerkrieg angehörige verloren hat."



Ganz ähnlich argumentiert Christian Hoffmann auf freilich.ch:

"Strafe sollte nicht “Sühne für Schuld” sein (das klingt mir viel zu metaphysisch), sondern Entschädigung des Opfers, bzw. dessen Angehörigen. Die Straftat stellt ja immer die Schädigung eines Menschen dar, das Rechtssystem hat dafür zu sorgen, dass dieses Unrecht rückgängig gemacht, der Geschädigte also entschädigt wird.Im Falle des Mordes ist dies unmittelbar natürlich nicht möglich, hier sind jedoch die Angehörigen und Hinterbliebenen zu entschädigen. Darüber hinaus hat ein Rechtssystem, um seine Glaubwürdigkeit zu wahren, den Mord als sozusagen“höchstes Verbrechen” stets mit Entschiedenheit zu verfolgen. Es stellt sich die Frage, ob die Todesstrafe für diese beiden Ziele geeignet ist. Ich halte dies für möglich […]

Ich würde mal sagen, ich halte die Selbstjustiz zumindest für legitim. Es ist ja doch so, dass zumindest theoretisch der Bürger sein Recht auf Selbstverteidigung = Selbstjustiz an den Staat abtritt, um sich dessen Schutz zu sichern. Auch der Rechtsstaat hat also sein theoretisches Fundament in der Selbstjustiz. [...]

Angenommen X tötet einen meiner Verwandten und ich habe das Recht auf Selbstjustiz nicht an eine entsprechende Agentur abgetreten - natürlich würde ich X dann selbst zur Rechenschaft ziehen wollen. Mit welchem Mittel ist dabei jawohl eher zweitrangig. Wenn ich dabei jedoch in die Rechte Unschuldiger eingreifen würde, könnten diese mich natürlich wiederum entsprechend ebenfalls zur Rechenschaft ziehen (angenommen X ist in Wahrheit unschuldig, dann wäre ich ja schlicht ein Mörder). Das ist wohl auch der Grund, warum das Abtreten des Rechts auf Selbstjustiz an eine geeignete Instanz wahrscheinlich ist. Wie Du dir wohl denken kannst, bin ich jedoch nicht davon überzeugt, dass diese Instanz ein Zwangsmonopol sein muss. "


Eine häufig unterstellte Inkompatibilität der Todesstrafe mit der liberal-libertären Ethik und Rechtsphilosophie besteht jedenfalls nicht.

Fazit: man darf den zu vereinfachenden Schemata neigenden Westler-Bloggern gerne ein etwas infantiles Gehabe unterstellen - die Manieren sind in diesem "Sex, Drugs and Rock'nRoll"-Spektrum nunmal alles andere als hoppeanisch-kulturkonservativ - aber "illiberal", "zynisch" oder "menschenverachtend", wie von einigen libertären Freunden behauptet, ist ihre Haltung jedenfalls in dieser Causa keineswegs!

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