Wednesday, November 15, 2006

Abschreckend: Jahrbücher zur Liberalismus-Forschung

Mir sind jetzt durch Zufall die Jahrgänge 1996 und 2006 (der aktuelle Jahrgang, über den demnächst eine Rezension in eigentümlich frei erscheinen wird) in die Hände gefallen. Es ist noch viel grausamer, als man nach dieser Warnung von André F. Lichtschlag erwarten durfte!

Allein die Jahrgangs(lach)nummer 1996 ist ein Gedicht: Da wird zum Beispiel ein von Detmar Doering und Fritz Fliszar herausgegebener Sammelband mit dem Titel "Freiheit - Die unbequeme Idee. Argumente zur Trennung von Staat und Gesellschaft", DVA 1995, an dem unter anderem James M. Buchanan, Gerd Habermann und Stefan Blankertz mitwirken, madig gemacht. Rezensent Gilbert A. Gratzel aus Sprockhövel kritisiert den mangelnden Willen der Autoren zur inhaltlichen Normsetzung, da Spielregeln alleine nicht ausreichten - und dies vor allem, um soziale Ungleichheiten zu kompensieren. Er behauptet ferner, die "Ausgangschancen der potentiellen Marktteilnehmer müssen möglichst gleichgeschaltet sein. Da diese jedoch faktisch meist ungleich verteilt sind, bedarf es kompensatorischer Hervorhebungen: staatlicher Lenkung und Planung in Form von Sozialpolitik oder der Einführung eines progressiven Steuersystems." Letzteres wurde übrigens in Preußen durch den "nationalliberalen" Finanzminister Johannes von Miquel, eine ausgesprochen unrühmliche historische Erscheinung, eingeführt, Erhard Eppler erinnerte kürzlich bei Maischberger daran!

Die "reine Markttheorie", so Gratzel weiter, "ist im Kern nichts anderes als eine der zahllosen Versionen der Utopie der Herrschaftslosigkeit". Ohne auf auch nur einen Beitrag des Sammelbandes substantiell einzugehen, beruft sich Gratzel auf "planrationale Erfordernisse" und "Unausweichlichkeiten" bei seiner tollkühnen Etatismus-Apologetik.

Noch mißglückter gerät die dümmliche Polemik des Politologen Hans Vorländer zu Roland Baaders Sampler "Die Enkel des Perikles. Liberale Positionen zu Sozialstaat und Gesellschaft", der u.a. Beiträge von Hans-Hermann Hoppe, Hardy Bouillon, Gerard Radnitzky, Detmar Doering und Robert Nef enthält. Hier werden wirklich ungeahnte Peinlichkeitsgrade erreicht.

Das fängt schon damit an, daß in der Überschrift zu dieser "Rezension" von "Die Freiheit des Perikles" die Rede ist, also jemand offenkundig nicht einmal den Titel des Buches ganz erfaßt hat. Den Autoren kreidet Vorländer, der sich über den Begriff "demokratische Wohlfahrtsdiktatur" empört, an, sie arbeiteten sich an der "Demaskierung einer vermeintlich freiheitsgefährdenden Politik ab". Roland Baader unterstellt er eine "fundamentalistische Heilsgewißheit", er erweise, so erdreistet sich Vorländer herumzurülpsen, mit diesem Buch "der Sache der Freiheit einen Bärendienst" - "alles in allem ein Buch, dessen Titel auf die falsche Fährte lockt [wenn man ihn garnicht erfaßt hat, ist das starker Tobak!] und das in vielen, nicht in allen Teilen eher dogmatisch und abschreckend als nachdenklich und aufregend daherkommt."

Für mich jedenfalls waren es in allererster Linie die Bücher Baaders - und nicht die den geistigen Tiefgang von Teebeuteln vermittelnden Naumann-Stiftungs-Broschüren - die mich von freiheitlichen Ideen begeistert haben und denen ich viele Einsichten in die Theorie des klassischen Liberalismus danke. Und vielen Freunden, die meinen Blog lesen, wird es ähnlich ergangen sein. Abschreckend sind hingegen die Elaborate dieser parteinah-verbonzten Stiftung zu nennen, schlechterdings eine Verhöhnung des Liberalismus!

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