Thursday, December 20, 2007

Waigel ist unschuldig, Dutschke war's!

Der Schmalspur-Hugenberg aus Grevenbroich hat mal wieder zugeschlagen. Und es wird immer irrer! In einem Interview sagte er auf die Frage, was einen Libertären kennzeichne:

"Sagen wir, Sie malen ein Hakenkreuz auf die Wand Ihres Hauses. Auch hier ist Ihr Privateigentum unbedingt zu achten und kein Libertärer würde auf die Idee kommen, dies zu verbieten. An dieser Stelle sehen Sie, dass die Konzentration auf ein vermeintlich ökonomisches Prinzip auch für persönliche Freiheitsrechte wie die Meinungsfreiheit eine Grundvoraussetzung ist."


Nun, das ist sachlich richtig, aber wie kömmts, daß dem immer solche Beispiele einfallen? Warum setzt sich der Oberlibertäre unaufgefordert dem Verdacht aus?

Weiter geht's:


"Im angelsächsichen Sprachraum werden Erzliberale auch oft als „Konservative“ bezeichnet oder ordnen sich selbst so ein. Auch diese Entwicklung wird im deutschen Sprachraum inzwischen nachgeholt. Der Herausgeber des liberalen Schweizer Wochenmagazins „Weltwoche“ schreibt, dass echte Liberale und Libertäre heute längst als „Konservative“ firmieren."



Zugegeben, so mancher angelsächsische Konservative ist mit klassischem Liberalismus legiert. Aber das macht den Libertarismus nicht konservativ, sondern zeigt nur, daß angelsächsische (und schweizerische) Konservative nicht zwangsläufig so hoffnungslose Fälle sein müssen, wie diejenigen deutschen Konservativen, die zu Lichtschlags bevorzugten Gesprächspartnern zählen, etwa von "Rittergut Schnellroda".

Btw.: Frau Thatcher wurde noch zu Beginn der 70er Jahre nicht zu Unrecht von konservativer Seite vorgeworfen, sie breche mit den Grundüberzeugungen des Disraeli'schen Toryism.

Auf die Frage, wer sich mehr geirrt habe, die 68er oder ihre Vätergeneration, verblüfft Lichtschlag mit einer geradezu bizarren Gegenüberstellung:


"Eine interessante Frage! Schauen wir uns die Ausgangssituation an. Dort: Weltwirtschaftskrise, Versailler Vertragsbürden, Bedrohungsempfinden durch den Bolschewismus. Hier: Wohlstand wie nie zuvor, Schutz und Freiheit durch die USA garantiert. Dann dort der Irrtum, in großer Not dem viertgrößten Massenmörder der Geschichte nachgelaufen zu sein. Hier der Irrtum, ohne Not einem oder mehreren der drei größten Massenmörder der Geschichte hintergelaufen zu sein. Dort nach dem Irrtum Abkehr vom Sozialismus sowie tatkräftiger und mühsamer Aufbau des Landes und Schaffung von Werten. Hier nach dem Irrtum Leben wie die Made im Speck, immer mehr Sozialismus, steter Verbrauch der Substanz. Dort am Ende Übergabe einer positiven Bilanz und eines Landes, in dem Menschen an sich selbst glauben. Hier am Ende Übergabe eines bankrotten Wohlfahrtsstaats mit Menschen, denen man eingeredet hat, sie hätten ein Recht, auf Kosten Dritter zu leben. Und das Vererben einer unbezahlbaren Rechnung an die Nachfolgegeneration. Ja, es ist schwer zu entscheiden, wer mehr danebenlag."


Fangen wir das Knäuel mal von hinten an aufzudröseln: Die astronomische Staatsverschuldung (übrigens: ein Phänomen ALLER westlichen Demokratien) ist also das Erbe von '68, dem annus miserabilis? Wer hat denn den Staat aufgebläht und Schulden aufgehäuft? Der Schulden-Kanzler Schmidt (SPD) sah in den 68ern nur eine Marotte verzogener Mittelstandskinder und hielt ihnen entgegen: "Wer Visionen hat, soll zum Arzt gehen!". Ein 68er? Der Noch-mehr-Schulden-Kanzler Kohl (CDU) nannte die friedensbewegten 68er immer nur "die Fußkranken der sozialistischen Weltrevolution" - und forcierte mit Blüm und Geißler unter tätiger Mithilfe der FDP den Marsch in den Schuldenstaat. Selbst der Wirtschaftsaufschwung der 80er Jahre wurde niemals ernsthaft zu Reformen genutzt, Kohls verhaßte Finanzminister Stoltenberg und Waigel steigerten in wirtschaftlichen Blütezeiten den Fiskalkleptokratismus auf ungeahnte Höhen. Aber das waren natürlich alles nur heimliche Marionetten der pöhsen 68er. Waigel kann nix für die Staatsverschuldung - Dutschke ist schuld! Das ist nicht einmal BILD-Zeitungsniveau, Herr Lichtschlag!

Und wo bleibt bei der Mitläufer-Generation die "Übergabe einer positiven Bilanz und eines Landes, in dem Menschen an sich selbst glauben."? Haben die jungen Nachkriegsstudenten, die in den 50ern erstmals durch Europa reisten, nicht die gegenteilige Erfahrung gemacht, einem Land anzugehören, das in ALLEN Nachbarländern klaffende Wunden und eine Blutspur des totalen Krieges hinterließ? Mußten sie sich nicht schämen, egal wohin sie kamen? Und glaubten die Menschen im Lande selbst wirklich an sich - oder nicht doch wie eh und je an den Staat, in diesem Falle eben an den restaurativen Obrigkeitsstaat Adenauerscher Provenienz? Hat Adenauer nicht ALLES unternommen, um den Erhardschen Reformgeist (der ohnehin nur episodal blieb) zu unterdrücken? Und Erhards Bilanz, wie sieht sie aus? Er hat, trotz imponierenden persönlichen Einsatzes und Mutes, mit dem er für Freiheit und Marktwirtschaft kämpfte, am Ende des Tages gegen den Widerstand von CDU und FDP(!) nicht einmal erreicht, daß wenigstens jener Grad an Gewerbefreiheit wiederhergestellt wurde, den es im Bismarckreich jedenfalls bis 1878 und in Teilen sogar bis 1914 gegeben hatte (siehe Habermanns "Der Wohlfahrtsstaat"). Soviel zu "Dort nach dem Irrtum Abkehr vom Sozialismus sowie tatkräftiger und mühsamer Aufbau des Landes und Schaffung von Werten." Der Irrtum wurde nie anerkannt geschweigedenn korrigiert. Einen Bruch mit dem Glauben an den Wohlfahrtsetatismus, eine Zäsur, eine Stunde Null hat es auch im Denken der übergroßen Mehrheit der Kriegsgeneration nie gegeben!


Weiter heißt es:

"Schutz und Freiheit durch die USA garantiert."


Der Neocon-Mythos vom selbstlos-benevolenten Hegemon ist auch schon salonfähig? Ich werd verrückt!

"Weltwirtschaftskrise, Versailler Vertragsbürden, Bedrohungsempfinden durch den Bolschewismus."

Ein Blick in Ludwig von Mises "Im Namen des Staates" läßt diese Entlastungsargumente arg armselig erscheinen. Weder für den ungehinderten Aufstieg Hitlers noch für die im Grunde von Anfechtungen durch eine renitente Bevölkerung verschonte Ausübung seiner Herrschaft bis zum bitteren Ende läßt er billige Ausreden gelten, die sich heute auch weit über den auf NS-Apologetik abonnierten Kreis hartgesottener Deutschländerwürstchen hinaus wachsender Beliebtheit erfreuen. Mises widerspricht der von vielen wohlmeinenden Engländern und Amerikanern vertretenen These, daß „die Mehrheit des deutschen Volkes die Ideen der Nazi nicht teilt und das Joch Hitler’s nur unwillig erträgt.“ Beim Volke der Dichter und Denker stünden unter dem Einfluß der nationalistischen und sozialistischen Indoktrination heute Goten und Vandalen, ja selbst Hunnen und Mongolen höher im Kurs als etwa Goethes Weltbürgertum und Kants Ewiger Frieden. Es mache von daher auch keinen Sinn, Propagandaflugblätter über Deutschland abzuwerfen.

Für Mises, dem man als Leser seine Erschütterung über die servile, scham- und würdelose Ein- und Unterordnungsbereitschaft vieler Deutscher in das nationalsozialistische System nachfühlen kann, ist es ein schwerer Irrtum zu glauben, daß viele Deutsche Hitler nur deswegen unterstützten, weil sie die Folgen der Niederlage fürchteten. Resigniert schreibt er:

„Alle deutschen „Arier“ sind von Hitler’s Weltherrschaftsplänen fasziniert. Die wenigen, die anders dachten, sind längst „erledigt“, d.h. umgebracht worden.“

Von Theodor Heuss stammt der häufig zitierte Ausspruch, der Geburtsort des Nationalsozialismus sei nicht Braunau am Inn gewesen, sondern Versailles. Mises sieht es anders: „Es ist ein Irrtum zu glauben, daß der Erfolg der nationalsozialistischen Agitation etwas mit den Mängeln des Versailler Vertrags zu tun habe… was diese [wiederauflebenden Hegemonie-] Pläne hat entstehen und volkstümlich werden lassen, ist allein der Gedanke: wir sind stark genug, die anderen niederzuwerfen. Würden die Deutschen nicht von diesem Gedanken besessen sein, dann hätte sie auch der ungünstigste Vertrag nicht zum Nationalsozialismus und zu seiner außenpolitischen Haltung bringen können.“

Und zum untauglichen Versuch, Hitlers Machtergreifung mit den sozialen Verwerfungen der Weltwirtschaftskrise zu entschuldigen, schreibt Mises: „Die Wirtschaftskrise war nicht auf Deutschland beschränkt. In den anderen Ländern, die von ihr betroffen wurden, hat sie nicht eine Partei gestärkt, die von Rüstungen und vom Krieg das Heil erwartete.“

Bleibt die Frage, wen Lichtschlag konkret meint, wenn er mal wieder bar jeder Geschichtskenntnis mit der ach-so-tabubrechenden großen Anti-68er-Keule planlos herumfuchtelt. Etwa Sezessions-Autor Bernd Rabehl? Oder den einst von der DDR ausgehaltenen Konkret-Macher Klaus Rainer Röhl, der sich heute altherrenwitzgestählt am müffelnden rechten Rand der FDP herumtreibt? Oder gar einen ehemaligen Habermas-Lieblingsschüler aus der Frankfurter Sponti-Szene, den man geradezu zum unfehlbaren Guru der Rechtslibertären aufbläst?

6 comments:

Anonymous said...

schreibt Mises: „Die Wirtschaftskrise war nicht auf Deutschland beschränkt. In den anderen Ländern, die von ihr betroffen wurden, hat sie nicht eine Partei gestärkt, die von Rüstungen und vom Krieg das Heil erwartete.“

Hmm, War Roosewelts New Deal etwas anderes? Auch waren weite Teile der Pläne Japans dank Entschlüsselungsarbeit den Amerikanern bekannt. Mussolini hat Ätopien überfallen, 35/36.

scrutograph said...

„Die Wirtschaftskrise war nicht auf Deutschland beschränkt. In den anderen Ländern, die von ihr betroffen wurden, hat sie nicht eine Partei gestärkt, die von Rüstungen und vom Krieg das Heil erwartete.“

Man muss eben die Faktoren, Weltwirtschaftskrise, Versailler Vertrag und Bedrohung durch den Bolschewismus zusammenrechnen.
Das ist auch nicht die Privatmeinung von AFL, sondern wird von Historikern vertreten.
In England gab es auch die Wirtschaftskrise, aber man konnte sie nicht, wie in Deutschland, auf die Kriegsniederlage schieben und daher zur Revanche aufrufen, der Sowjetkommumnismus war geopolitisch auch nicht eine so starke Bedrohung. Trotzdem gab es einen Mosley.
Das ungebrochene Weltgeltungstreben der damals noch jungen und vitalen deutschen Nation ist zweifelos als weitere Ursache für den 2. Weltkrieg zu ergänzen.

Fabio Bossi said...

Ich habe mich mal hier zum Thema "Rassismus" und sonstige Kollektivismen ausgelassen:

http://bavaria-for-ron-paul.blogspot.com/2007/12/ron-paul-der-rassist.html

Ich bitte alle Libertäre, Anarchisten und sonstigen Freiheitsfreunde, endlich mit dieser Unfugsdiskussion aufzuhören, um sich gemeinsam den wirklichen Gegnern zu widmen.

Gezeichnet, ein adjektivloser Libertärer

PS:
Hab` versucht diesen Kommentar bei Paxx zu posten, bekomme aber immer die "Forbidden" Fehlermeldung

PS2:
Dominik, ich hoffe, Du reflektierst gelegentlich und behälst im Auge, daß Deine Privatfehde mit André nicht Deinen Verstand vernebelt. Gewisse "Gefahren" meine ich nämlich wahrzunehmen.

msh said...

Wie eine "positive Gesamtbilanz" aussehen soll, auf deren Soll-Seite zigmillionen Kriegstote und sechs Millionen ermordeter Juden stehen, würde mich interessieren. Herr Lichtschlag, rechnen Sie das doch bitte mal vor!

Anonymous said...

Die 68er haben ja angeblich die Schwulen befreit. Diese platte Mär erklärt wohl das offensichtliche Faible des Bloggers für die peinliche, freiheitsfeindliche Bewegung.

Anonymous said...

Hagen hat's auch nicht verstanden - oder gerade? Der arme Strohmann, seine eigene Verzerrung, wird geprügelt. Ein kleiner Westerwelle!