Sunday, May 07, 2006

Mein eigentümlich freies Statement zur liberal-libertären Demokratie-Diskussion

Zu: Demokratiediskussion II.: Keine Illusionen über Anarchie und Autokratie!(Erich Weede), ef 61

Natürlich sind die Ergebnisse der schweizerischen und englischen Politik - nimmt man den gegenwärtigen Stand der Dinge zum Vergleich - weniger verheerend, kostspielig, freiheitsbedrohend und ruinös als die schauderhaften Resultate des französisch-deutschen Demokratiemodells, das auf einem obrigkeitsstaatlich-zentralistischen Staatsverständnis aufbaut. Aber der Augenblicksvergleich läßt die Dynamik der hinter uns und der vor uns liegenden Entwicklung außer acht: was die Eidgenossenschaft und das United Kingdom relativ freiheitlicher macht als das vom franko-germanischen Etatismus verseuchte EU-Kerneuropa ist historisch und institutionenökonomisch betrachtet ein multifaktiorielles Ursachenbündel, bei dem der Privatautonomie, der Achtung des Eigentumsrechts, der Limitierung von Macht, der "rule of law" in England und dem Nonzentralismus in der Schweiz bei weitem größere Bedeutung zukommt als der von Weede völlig überbewerteten Demokratie. Den Themenkomplex "totalitäre Demokratie" (vgl. die Schriften von Jakov Talmon) blendet Weede in seiner Analyse völlig aus. Die Tatsache, daß Frankreich zuzeiten des "terreur" zweifelsfrei demokratischer als das aristokratisch geprägte England war, läßt sich nunmal nicht wegdiskutieren.

Hinzu kommt: der Abstand zwischen den relativ freiheitlicheren "Demokratien"und den unfreiheitlicheren schmilzt immer mehr zusammen. (In England sehr schön zu beobachten durch Gesetzesverschärfungen im Getriebe des "Krieges gegen den Terror" - war-sprung-socialism nennt Robert Nisbet dieses Phänomen). Dieser Abstand zwischen den freieren und den unfreieren Europäern ist also nicht durch "Fehlerkorrektur" in Deutschland oder Frankreich zugunsten liberalerer Vorbilder kleiner geworden, sondern dadurch, daß die Konvergenz-Verschiebung von seiten der relativ freieren (CH, GB) in Richtung der unfreien, ineffizienteren, verwahrlosteren, bürokratisch-schikanöseren europäischen Staaten vonstatten ging und dieser Prozeß auch genaus soverlaufen mußte! Die "imitatio" fand genau entgegen der - contrafaktischen - klassisch liberalen Demokratietheorie statt, deren Fehlerhaftigkeit von Hans-Hermann Hoppe ja bereits logisch nachgewiesen wurde. Der Trendsetter, gewissermaßen die "Avantgarde" im europäischen Demokratie-Systemvergleich sind eher Deutschland als die Schweiz, eher die "Grande Nation" als das vielgeschmähte "perfide Albion". Das ist auch garnicht verwunderlich, sondern folgerichtig: der deutsch-französische Etatismus begünstigt viel stärker das Eigeninteresse der "classe politique" - die eben auch ein gruppenegoistischer Nutzenmaximierer ist - und lädt somit zur Nachahmung ein. Auch in der "alt-freien" Schweiz nimmt von Jahr zu Jahr die kollektivistische Umverteilung, die Staatsquote, die Entmündigung, die Regierungspropagandatätigkeit, die Behördenwillkür, ja auch dieGesinnungsjustiz (Antirassismusgesetzgebung!) zu, während Bürgerrechte - perverserweise oftmals "demokratisch legitimiert" - sukzessive, wenn auch in homöopathischen Dosen, abgebaut werden.

Was die Schweiz bislang noch davor bewahrt (hat), restlos vor die Hunde zugehen (oder besser: vor die reißenden eurokratischen Wölfe zu fallen) ist mitnichten die mythologisierte "Demokratie", sondern ein idealistischer, finanziell völlig von der Politik unabhängiger Unternehmer, ein "Autokrat" im besten Sinne des Wortes, der es bisher recht gut verstand, die sozialistisch-kollektivistischen Eigengesetzlichkeiten der Demokratie durch einen liberalen Populismus zu neutralisieren, dem es also gelungen ist, die"Demokratie" zu überlisten. Die politische Klasse (der medial-edukativ-gouvernementale Komplex) steht geschlossen gegen ihn, weil er ihrem natürlichen Drang nach Stabilisierung von Herrschaft, Machtexpansion, Klientelbewirtschaftung, Ressourcen-Ausbeutung und Drangsalierung der eigenen Bürger im Wege steht. Da im "demokratischen Wettbewerb", der ein Wettbewerb um Ungüter ist, nicht entscheidend ist, was gut für das Land ist sondern einzig, was den verkommenen Eliten derjeweiligen "Demokratie" frommt, ist klar, wer sich à la longue durchsetzen wird.

Wenn der Begriff "race to the bottom" Sinn macht, dann hier! Bei Bruno Bandulet könnte Weede nachlesen, daß wir im Kaiserreich mehr individuelleFreiheiten besaßen als in der heutigen Demokratie. Die Entwicklung ist überall beobachtbar: Demokratisierung und Ent-Freiheitlichung gingen und gehen Hand in Hand, das lehrt die Empirie! Ich behaupte sogar, sie sind Siamesische Zwillinge!

Die Spitze gegen die anarchokapitalistischen Demokratie-Kritiker erweist sich also bei genauerem Hinsehen - gerade auch im Lichte des "verdammten 20.Jahrhunderts" (G. Radnitzky) als Bumerang:

Von der Demokratie träumen kann in der Tat nur, wer die Nicht-Beachtung von Erfahrung zur Methodologie macht!



Dietmar-Dominik Hennig, Gerbrunn

1 comment:

Sascha said...

Ich stimme dir teils zu, teils nicht. Zum einen stimme ich dir zu, dass Demokratie systemimmanent sehr verheerend ist, u.a. aufgrund der von Hoppe angezeigten Problematiken. Am wichtigsten ist dabei sicherlich die Macht des Staates, sich über Zwang beliebig selbst einnahmen zu verschaffen und dadurch wie ein Monopolist zu agieren. An deiner Verwendung des Begriffes "subjektiver Nutzenmaximierer" hänge ich mich aber gerne auf, da der Begriff ja deutlich aussagt, dass es darauf ankommt, worin ein Mensch seinen Nutzen sieht. Es muss sich nicht zwangsweise um einen objektiven Eigennutzen handeln, auch wenn es womöglich ein psychologischer sein kann. Entscheidend sind hierbei eben die gewissen Wertvorstellungen, die ein Mensch hat.
Deshalb ist es auch zu kurz gegriffen, den Prozess der Zerstörung und Barbarisierung einer Gesellschaft allein auf eine der Demokratie immanente Systemlogik zurückzuführen, denn das kappt Handlungen ab von denen, die handeln. Und handeln tun immer noch Menschen, die eingebettet sind in ein Anreizstruktursystem. Und dieses wird nicht nur durch gewisse Anreize der systemischen Fehlkonstruktion Demokratie bestimmt, nicht nur rein ökonomisch, sondern eben in erster Linie ethisch-weltanschaulich. Das ist, denke ich, auch ein wesentlicher Fakt, warum die europäischen Kontinentaldemokratien weitaus schneller auf dem Weg in den Totalitarismus sind, als die angelsächischen Demokratien, während sich in nichtwestlichen Ländern Demokratien kaum bis nur äussert wackelig überhaupt erst installieren lassen und man lieber gleich bei der Diktatur bleibt. Die Wertegrundlage ist teilweise eine andere. Und Werte bestimmen auch, wie sich (politische) Institutionen ausformen und weiterentwickeln.
Insofern muss eine Analyse der Ursachen für den Niedergang der westlichen Gesellschaften sich nicht nur auf ökonomisch-politische Ursachen stützen, sondern in erster Linie auf weltanschauliche, da diese die ersteren teilweise mitbestimmen. Und da ist der Libertarismus gottverdammt mager bestückt.

Zumal mich, und diese Diskussion ist zwischen uns ja altbekannt und muss hier daher nicht noch mal aufgerollt werden (Lichtschlag hat meinen Artikel noch immer nicht veröffentlicht!), das libertäre Gegenmodell ganz und gar nicht überzeugen kann.

Das nur zur Kenntnisnahme. :-)